Der vierjährige Guira Masco schreit auf, als die Ärztin seinen Bauch abtastet. Der Vater hat den Kleinen per Motorrad ins Gesundheitszentrum von Nasso gebracht, in einem Wäldchen im Westen von Burkina Faso. «Sein Körper war ganz heiss und er musste erbrechen», erzählt der Vater.
Ärztin Karidia Kiendrébéogo macht einen Bluttest und nach 15 Minuten ist klar: Guira hat Malaria. Das Medikament dagegen ist in Burkina Faso für kleine Kinder und schwangere Frauen gratis.
Der tödliche Stich der Malariamücke
Trotzdem bleibt Malaria die häufigste Todesursache bei Kindern. Jedes Jahr sterben in Burkina Faso Tausende daran. Weltweit, so schätzt die Weltgesundheitsorganisation WHO, tötet Malaria jährlich 400'000 Menschen.
Doch das könnte sich ändern, denn im Dorf Bana, wo Guira lebt, wird eine tödliche Waffe gegen die Malariamücke Anopheles gambiae erforscht. Es ist die Mücke selbst. Der Vater des Jungen erzählt: «Die Forscher kamen, sie versammelten uns und erklärten, sie wollten bei uns Mücken freilassen, sterile Männchen.»
Mückenfänger im Dorf
Mit dem Einverständnis der Dorfbewohner wurden im Juli 2019 erstmals genveränderte Mücken im Dorf ausgesetzt. Die Mückenmännchen waren mit der CRISPR-Cas9-Methode genetisch unfruchtbar gemacht worden. Das war der Start zum ersten Testlauf.
Kurz darauf machten sich im Dorf Mückenfänger auf die Pirsch. In regelmässigen Abständen überprüften sie während eines Jahres, ob noch sterile Männchen in freier Wildbahn auffindbar waren. Resultate gibt es noch nicht. Doch das Experiment sorgte für Aufsehen und Proteste in Burkina Faso. Die Gegner protestierten, Menschen in Afrika würden als Versuchskaninchen missbraucht.
Weniger Töchter, mehr Söhne
Im Labor am Institut für Gesundheitsforschung (IRSS) in der Kleinstadt Bobo-Dioulasso stösst die Kritik auf wenig Verständnis. Hinter einer doppelt gesicherten Eingangstür werden die Mücken für die Versuche aufgezogen, und das Erbgut eingefangener Mücken untersucht.
«Bald kommen wir in die zweite Phase», erzählt Léa Paré, sie ist beim Malariaprojekt für die Kommunikation und Information zuständig. «Die nächste Variante der Mücken soll vorwiegend männliche Nachkommen produzieren.»
Weniger Töchter, mehr Söhne – im Labor hat das bereits funktioniert. Dort waren 95 Prozent der Nachkommen männlich, das führt dazu, dass die Mückenpopulation mit jeder Generation kleiner wird und schliesslich kollabiert.
Protest von Gentechgegnern
Die Idee, dass sich die Mücken selbst dezimieren, tönt gut. Doch sie stösst auf Widerstand. In der Hauptstadt Burkina Fasos sitzt Ali Tabsoba. Der Umweltschützer findet das Malariaprojekt riskant: «Es setzt die Gesundheit der Burkinabé aufs Spiel und könnte die Umwelt schädigen.» Man nutze die Unwissenheit der Afrikaner aus, klagt Tapsoba. «In Europa könnte man nicht die eigenen Bürger als Versuchskaninchen benutzen!»
Auf seinem Handy zeigt der Direktor der lokalen Umweltorganisation «Terre à vie» ein Video einer Demonstration in der Hauptstadt Ouagadougou vor zwei Jahren. Das Experiment ist staatlich bewilligt, doch Tapsoba bezweifelt, dass jemand in der Behörde genau versteht, was die Forscher machen.
«Die Toten sind das Problem»
Léa Paré kann die Aufregung nicht nachvollziehen. Man habe stets offen kommuniziert, so die Frau von Target Malaria. Tatsächlich sind die Forscher seit Jahren mit der Dorfbevölkerung in Kontakt. Und auch die gentechkritischen Organisationen seien angehört worden.
«Einverstanden, es gibt nie ein Nullrisiko», sagt Kommunikationschefin Paré. Doch man tue das mögliche, um alle Risiken auszuschalten. Und der Nutzen sei um ein Vielfaches höher. «Wenn man die Zahl der Malariatoten in Burkina Faso sieht, das ist doch das Problem!» Laut Weltgesundheitsorganisation sterben alleine im kleinen Westafrikanischen Land über 15'000 Menschen jährlich.
Teurer Kampf
Das tödlichste Tier in Afrika ist nicht der Löwe oder Büffel, sondern eine kleine Mücke. Der Kampf gegen die Anophelesmücke und gegen Malaria ist teuer. Organisationen verteilen Netze, Regierungen sprühen Insektizid, Medikamente werden gratis oder günstig abgegeben. An einer Impfung wird noch immer geforscht.
All diese Massnahmen kosten jährlich Millionen und lösen das Problem nicht. Die Mücken auszurotten, das wäre viel effizienter. Und genau dies ist eines der Hauptargumente von Target Malaria, welches durch die «Bill & Melinda Gates Stiftung» finanziert wird.
Tatsächliche Versuchskaninchen
Eine definitive Lösung, also das Ausrotten der Krankheit, würde viel Leid ersparen. Doch ob es diesen Eingriff in die Natur rechtfertigt? Werden gar Menschenleben aufs Spiel gesetzt? Die Antworten gehen auseinander.
Hinter dem Labor in Bobo-Dioulasso steht ein Stall. Darin hoppeln einige Kaninchen herum. Die Mücken im Stall können sich nur dank des Kaninchenbluts fortpflanzen. Das sind bestimmt Versuchskaninchen.