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International «Das UNHCR muss jedes Jahr neu um Mittel bitten und betteln»

Der neue UNO-Hochkommissar für Flüchtlinge, Filippo Grandi, hätte gern einen positiveren Bericht vorgelegt. «Aber die Geschichte ist nicht gut», sagte er den Medien. Denn dem Hilfswerk fehlt das Geld, um Flüchtlinge mit dem Nötigsten zu versorgen. Für Journalist Marc Engelhardt ein leidiges Thema.

Marc Engelhardt

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Legende: zvg

Nach sieben Jahren in Afrika arbeitet der Journalist und Buchautor Marc Engelhardt nun als Berichterstatter für verschiedene Organisationen der UNO in Genf. Er ist auch Korrespondent der Weltreporter, einem Journalistennetzwerk.

SRF News: An Geberkonferenzen versprechen Staaten immer wieder Geld für Flüchtlinge, für die Menschen aus Syrien zum Beispiel, bezahlen dann aber nicht. Wieso?

Marc Engelhardt: Wenn die Versprechungen gemacht werden, passiert das vor laufenden Kameras und alle schauen hin. Und wenn das Geld ausbezahlt werden soll, guckt eben niemand mehr hin. Die UNO ist mit der Kontrolle meistens überfordert. Sie hat hier in Genf genau zwei Leute, die sich pro Monat 2000 Berichte anschauen. Da kann man sich vorstellen: So genau kann man das nicht kontrollieren. Und tatsächlich: Es wird viel versprochen, es wird zu wenig eingehalten – und darunter leiden dann die Flüchtlinge.

Das heisst, die UNO kann gar nichts dagegen tun?

Die UNO kann auffordern, sie kann appellieren, sie hat natürlich diplomatische Mittel. Und es gibt ja auch Staaten, die ganz massiv dafür eintreten, dass es eine verlässlichere Finanzierung gibt, um Flüchtlinge zu versorgen. Aber wenn die Staaten nicht mitmachen wollen, kann sie niemand zwingen. Alle Mittel für Flüchtlingshilfe, die an die UNO gehen, sind freiwillig. Jedes Jahr wird wieder bei Null angefangen. Man muss bitten und betteln, um die Millionen und Milliarden zusammenzukriegen, die man braucht. Das ist eigentlich kein Zustand. Diese Organisationen brauchen eine verlässliche und sichere Mittelausstattung.

Alle Mittel für Flüchtlingshilfe, die an die UNO gehen, sind freiwillig.
Audio
Hilfe für Flüchtlinge - oft nur ein leeres Versprechen
aus Rendez-vous vom 20.06.2016. Bild: Reuters
abspielen. Laufzeit 4 Minuten 37 Sekunden.

Welche Folgen hat das für die Flüchtlinge?

Das hat ganz konkrete Folgen im Alltag. Sie kriegen weniger zu essen. So war das letztes Jahr monatelang, zum Beispiel in den Flüchtlingslagern mit Syrern. Sie haben möglicherweise keine Zelte, keinen Schutz gegen Regen, Sonne und Kälte. Es geht ihnen wirklich schlecht. Das erhöht natürlich den Druck, dass man sich überlegt, wo kann ich hin, wo gibt es eine Perspektive? Denn Schulen für die Kinder gibt es in den Lagern auch nicht. Viele entscheiden sich dann in der Not zur gefährlichen Überfahrt nach Europa, obwohl sie wissen, dass das lebensgefährlich ist.

Man muss helfen, und zwar vor Ort. Alles andere ist unverantwortlich.

Die nicht gehaltenen Zahlungsversprechen führen also dazu, dass noch mehr Flüchtlinge nach Europa kommen?

So ist es, und wir sehen im Moment auch, dass für die Flüchtlinge, die es bis Griechenland geschafft haben und die jetzt nicht weiter kommen, das Geld fehlt. Man kann absehen, dass auch das wieder zu grösseren Schwierigkeiten führen wird – und auch zu Bewegungen, womöglich über andere, neue Routen nach Europa. Also man muss helfen, und zwar vor Ort. Alles andere ist unverantwortlich.

Trauriger Rekord

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Rund 65 Millionen Menschen sind weltweit auf der Flucht. Das UNO-Hochkommissariat für Flüchtlinge (UNHCR) erinnert am heutigen Weltflüchtlingstag an das Schicksal dieser Menschen. Mehr dazu lesen Sie hier.

Ein grosser Teil der Flüchtlinge, über die man spricht, kommt aus Syrien und Irak. Welche Konflikte drohen ob des Geldmangels in Vergessenheit zu geraten?

All die Krisen, die wir nicht täglich vor Augen haben, zum Beispiel in Zentralafrika, in Kongo und den Nachbarländern, wo Millionen teilweise seit Jahrzehnten auf der Flucht sind. Oder jene in Somalia, wo die Hälfte der Bevölkerung auf der Flucht ist. Aber auch auf Karibikinseln, wo es Missernten und Wetterkatastrophen gab, und Menschen innerhalb ihres eigenen Landes geflohen sind. Das sind Krisen, für die teilweise nicht einmal im einstelligen Prozentbereich das Geld zusammenkommt, das man bräuchte, um den Menschen das Nötigste zu geben.

Das Gespräch führten Daniel Hofer und Brigitte Kramer.

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