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Demonstrationen gegen Mugabe «Weisse und Schwarze feiern gemeinsam eine riesige Party»

Nach der Ruhe die Demonstrationen: SRF-Korrespondentin Cristina Karrer erklärt, was in Simbabwe momentan vor sich geht.

Tausende Simbabwer feiern auf den Strassen Harares und anderer Städte. Sie fordern: «Mugabe muss weg». Und das Militär? Es lässt sich feiern und zu Selfies überreden. SRF-Korrespondentin Cristina Karrer konnte problemlos in Simbabwe einreisen. Bereits im Flugzeug begegnete sie Menschen – auch Weissen, die nach Harare flogen, um zu demonstrieren.

SRF News: Sie sind momentan in Harare. Was beobachten Sie? Wie ist die Stimmung?

Cristina Karrer: Ich traue meinen Augen nicht. Es ist unglaublich. Ich habe diese Stadt immer als total kontrolliert erlebt. Und jetzt herrscht hier eine riesige Party. Alle sind auf der Strasse. Fahnen schwingende Weisse, die sich bisher nie zeigten, tanzende Schwarze. Ich habe sogar ein Selfie mit einem Soldaten gemacht.

In den ersten Stunden und Tagen nach dem Putsch herrschte noch ängstliche Stille, nun sind die Leute auf der Strasse. Wie erklären Sie sich, dass die Stimmung in Simbabwe so gedreht hat?

Die Leute sind jetzt auf der Strasse, weil sie das Militär überhaupt auf die Strasse lässt, die Demonstration für legal erklärt hat. Die Polizei wurde entmachtet. Die Leute haben keine Angst mehr, denn es gibt keinen Feind mehr. Mugabe – der einzige Feind – sitzt in seinem Haus.

Die Situation scheint von der Schweiz aus gesehen verworren. Mugabe hatte am Freitag einen öffentlichen Auftritt an einer Universität, obwohl er unter Hausarrest steht. Wie erklären Sie sich das?

Was man in Europa nicht versteht: Hier in Simbabwe und in ganz Afrika hat man älteren Menschen gegenüber eine sehr ehrfürchtige Haltung. Man kann alte Staatsmänner hier nicht einfach absetzen. Immerhin ist Mugabe einer der letzten noch lebenden Unabhängigkeitskämpfer des Landes. Das hat zur Folge, dass die Militärs mit sich kämpfen, wie sie Mugabe ehrenvoll absetzen, beziehungsweise ihn zur Abdankung überreden können.

Mugabe hat gemerkt, dass das Militär im Dilemma ist.
Autor: Cristina Karrer SRF-Korrespondentin in Harare

Mugabe aber will das Amt nicht freiwillig aufgeben, stellt auf stur.

Mugabe hat gemerkt, dass das Militär im Dilemma ist, und dass die Afrikanische Union gegen seine Absetzung ist. Damit hat er wieder ein paar Trümpfe in der Hand. Es wird nun wohl darum gehen, was er sich im Austausch für seinen Rücktritt aushandeln kann.

Und das wäre?

Cristina Karrer

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Cristina Karrer ist SRF-Korrespondentin und Dokumentarfilmerin. Sie lebt seit 15 Jahren in Südafrika.

Manche sagen, dass er gewisse Sicherheiten für seine Frau Grace haben will. Es ist auch möglich, dass er eine Rolle als «Elder Statesmann» zugesprochen erhält. Denn wie gesagt: In Afrika kann man ältere Personen oder gar Präsidenten nicht einfach aus dem Amt vertreiben. Man will ihm ermöglichen, in Würde zu gehen.

Aber Mugabe kann doch die Demonstrationen nicht ignorieren. Und auch das Militär wird ungeduldig. Wie lange kann er sich noch halten?

Es gibt verschiedene Szenarien für den Rücktritt. Im Dezember findet der Parteikongress statt, dies wird als ein Rücktrittstermin gehandelt. Andere Stimmen sagen, dass sich Mugabe bis zu den Neuwahlen im nächsten Jahr halten wird. Und schliesslich gibt es auch solche, die bereits morgen Sonntag mit einer Ankündigung rechnen. So gibt es Gerüchte, dass die regierende Partei eine Sondersitzung halten will, um ihren Führer Mugabe abzusetzen. Aber nichts ist sicher.

In den Startlöchern für die Nachfolge steht vor allem der kürzlich von Mugabe abgesetzte Vizepräsident Emmerson Mnangagwa. Und der verspricht nicht wirklich einen Wandel in Simbabwe.

Das absurde ist tatsächlich, dass das simbabwische Volk vor zwei Wochen noch die Absetzung Mnangagwas bejubelt hat.

Die Menschen wollen einfach, dass Mugabe geht.
Autor: Cristina Karrer SRF-Korrespondentin in Harare

Und jetzt bejubeln alle seine Rückkehr – obwohl er politisch schlimmer ist als Mugabe. Aber den Menschen hier ist das egal. Leider. Die Menschen wollen einfach, dass Mugabe geht. An die politische Zukunft Simbabwes denken sie noch nicht.

Das Gespräch führte Claudia Blangetti.

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