- Bei neuen Protesten für die Freilassung des Kreml-Kritikers Alexej Nawalny in Russland sind laut beobachtenden Menschenrechts-Organisationen mehr als 5000 Menschen festgenommen worden.
- Das Portal Owd-Info listet für die Hauptstadt Moskau mehr als 1500 Festnahmen auf. Unter den Festgenommenen ist auch Nawalnys Ehefrau. In mehr als 50 weiteren Städten wurden demnach Festnahmen registriert.
- Das Moskauer Zentrum rund um den Kreml ist nahezu abgeriegelt. Die Polizei reagiert mit derart massiven Vorsichtsmassnahmen, wie sie das Land seit Jahren nicht mehr gesehen hat.
Nicht nur in Moskau wurden Hunderte Personen festgenommen. Auch in anderen Städten wie St. Petersburg im Norden des Landes kamen demnach über 860 Demonstranten in Polizeigewahrsam. Dabei gingen die Sicherheitskräfte in schwerer Montur mitunter brutal vor.
In der Millionenmetropole St. Petersburg setzte die Polizei Berichten zufolge Tränengas und Elektroschocker ein. Ein Beamter drohte mit seiner Waffe. Fotos aus Kasan an der Wolga etwa 700 Kilometer östlich von Moskau zeigten mehrere Demonstranten, die sich vor Polizisten an einer Hauswand in den Schnee legen mussten. Studenten mussten ihre Unterwäsche ausziehen und Handy sowie ihre Habseligkeiten abgeben.
Nawalnys Team kritisierte bei einer Live-Übertragung der Proteste die Polizeieinsätze als «völlig unverhältnismässig» und erinnerte an den friedlichen Charakter der Proteste.
Nawalnys Ehefrau festgenommen
Mitunter wurden auch Journalisten festgenommen. Die Journalistengewerkschaft sprach von zunächst 50 Medienvertretern. Sie seien in Polizeigewahrsam gekommen, obwohl sie sich hätten ausweisen können.
Wenn wir schweigen, dann holen sie morgen jeden von uns.
Zudem wurde Nawalnys Ehefrau Julia Nawalnaja erneut in Moskau festgenommen. Die 44-Jährige hatte zuvor bei Instagram ein Foto von sich auf der Strasse veröffentlicht. In einem weiteren Eintrag mit einem Familienfoto kritisierte sie, dass ihr Mann inhaftiert sei, weil er es gewagt habe, den Mordanschlag mit dem chemischen Kampfstoff Nowitschok zu überleben.
Nawalnaja beklagte, dass Alexejs Bruder Oleg Nawalny als «Geisel» in Haft genommen worden sei. «Wenn wir schweigen, dann holen sie morgen jeden von uns.» Sie warf dem Präsidenten Wladimir Putin vor, nach Belieben das Schicksal von Menschen zu bestimmen – er entscheide, «wer eingesperrt, wer vergiftet wird».
Demontranten ziehen zu Nawalnys Gefängnis
In Moskau versammelten sich nach einer Sperrung der Innenstadt an verschiedenen Punkten Menschen, die Protestzüge bildeten. Ein Zug mit Tausenden zog zum Moskauer Untersuchungsgefängnis Nummer eins – der im Volksmund so bezeichneten Matrosenstille. Dort sitzt Nawalny in Haft. Die Sicherheitskräfte hatten die Zufahrten zum Gefängnis gesperrt.
Viele Menschen riefen: «Freiheit für die politischen Gefangenen!» und «Freiheit für Alexej Nawalny!». Trotz Drohungen der Polizei waren auch in vielen anderen Städten Menschen zu Tausenden auf den Strassen. Sie protestierten außerdem gegen Korruption, Justizwillkür und die Unterdrückung Andersdenkender unter Putin.
Hunderttausende Demonstranten vor einer Woche
Bereits am Samstag vergangener Woche waren Hunderttausende Menschen in mehr als 100 Städten für Nawalny und gegen Präsident Wladimir Putin auf die Strasse gegangen.
Der Oppositionelle war vor zwei Wochen direkt nach seiner Rückkehr aus Deutschland verhaftet worden, wo er sich fünf Monate lang von einem Giftanschlag erholt hatte. Nawalny macht Putin und den Inlandsgeheimdienst FSB für das Verbrechen verantwortlich. Putin und der FSB weisen das zurück.