SRF News: Warum hat sich Moskau im Fall des Atomstreits mit Iran mit dem Westen in ein Boot gesetzt? Das ist ja bei anderen aktuellen Krisen auf der Welt kaum der Fall?
Carola Schneider: Moskau hat den Iran immer als strategischen Partner in der Region gesehen, vor allem als Partner gegen die Dominanz des Westens. Das war schon zu Zeiten des Zaren so. Doch dieses Abkommen wollte Russland unbedingt haben. Deshalb hat Moskau mit dem Westen zusammengearbeitet. Putin lobte den Vertrag denn auch und sagte, dass der Westen nun aufatmen könne und die Region im Nahen Osten nun stabiler werde. Russland hofft auch auf eine stärkere internationale Zusammenarbeit mit dem Iran im Kampf gegen den sogenannten Islamischen Staat. Denn Moaskau hat selber grosse Probleme mit Islamisten im Nordkaukasus und viele Tschetschenen kämpfen für den IS in Syrien und Irak. Hinzu kommt, dass Moskau verhindern will, dass der Iran eine Atommacht wird.
Gibt es noch weitere Interessen Russlands im Iran? Etwa wirtschaftlicher Art?
Das ist tatsächlich so. Der Iran ist ein wichtiger Abnehmer von russischer Nukleartechnologie. Russland hat bereits ein Atomkraftwerk im Iran gebaut, diese Zusammenarbeit soll fortgeführt werden. Zudem ist Russland ein wichtiger Lieferant von Waffen an den Iran. So liegt seit Jahren ein Vertrag über Luftabwehr-Raketen auf Eis. Der Kontrakt wurde vor Verhängung des Embargos unterzeichnet, nun will Moskau die Raketen so schnell wie möglich liefern. Ausserdem hofft man auf neue Waffendeals. In Moskau hiess es schon am Dienstagabend, Teheran sei an russischen Panzern, Kampfflugzeugen oder U-Booten interessiert.
Für Lösungen in grossen Internationalen Konflikten geht es nicht ohne Russland.
Manche Beobachter im Westen hoffen nun, dass auch in anderen Konfliktregionen wie Syrien oder in der Ukraine einvernehmliche Lösungen möglich sein könnten. Teilen Sie diese Einschätzung?
Teils teils. Das Abkommen mit dem Iran zeigt, dass es für Lösungen in den grossen internationalen Konflikten nicht ohne Russland geht. Das ist ein Signal, das Präsident Wladimir Putin natürlich sehr freut. Seit längerem versucht er ja, Russland auf der Weltbühne wieder als Grossmacht zu positionieren. Das Abkommen mit dem Iran zeigt, dass es trotz der Ukraine-Krise Bereiche gibt, in denen man an einem Strang zieht. Das war ja auch im Syrien-Konflikt so, als Präsident Baschar al-Assad einer Vernichtung seiner Chemiewaffen zustimmte, nachdem die USA mit Bombardements gedroht und Russland auf ihn eingewirkt hatten. In der Ukraine-Krise allerdings zeigt sich Moskau im Moment nicht kompromissbereit. So weigert sich Russland nach wie vor, die militärische Unterstützung der Separatisten in der Ostukraine aufzugeben oder die gemeinsame Grenze mit der Ukraine unter ukrainische Kontrolle zu stellen. Eine Lösung ist hier nicht in Sicht.
Sie machen also keine Anzeichen für ein Tauwetter zwischen Russland und den USA aus?
Die Zeit wird zeigen, ob es auch in anderen Bereichen zu einer Annäherung kommt. Russland sieht jetzt beispielsweise bei der umstrittenen Frage der geplanten Raketenabwehr in Europa die USA am Zug. Aussenminister Sergej Lawrow betonte schon kurz nach Unterzeichnung des Atomabkommens mit dem Iran, die USA müssten ihre Raketenabwehr-Pläne nun aufgeben, da es den von Washington genannten offiziellen Grund für die Pläne – die nukleare Gefahr aus dem Iran – ja nicht mehr gebe. Die Zukunft wird zeigen, ob die USA Russland bei dem Thema entgegenkommen werden. Insgesamt betrachtet wird es immer wieder Bereiche geben, in denen Russland und der Westen zusammenarbeiten – weil man schlichtweg gemeinsame Interessen hat. Aber dort, wo Russland seinen Einfluss um keinen Preis verlieren will – etwa, wenn es um die Zukunft der Ukraine geht – ist der Weg zu einem Tauwetter noch sehr lang.
Das Gespräch führte Susanne Schmugge.