Die abgesagte Adria-Tour von Tennisspieler Novak Djokovic ist ein totaler Reinfall. Sie hätte zeigen sollen, dass der Tourismus in Serbien und Kroatien willkommen und sicher ist. Jetzt wurden diverse Spieler positiv auf Corona getestet, auch Djokovic selber. Das Debakel habe auch politische Auswirkungen, sagt der Journalist Thomas Roser.
SRF News: Wie sehr kommt der Skandal um die Adria-Tour für die Tourismusindustrie in der Region zur Unzeit?
Thomas Roser: Das Ganze ist ein totales Fiasko. Ein Viertel des kroatischen Bruttoinlandprodukts wird durch den Tourismus generiert. Es bestand eigentlich die Hoffnung, dass man im Juli und August einen Teil des Verlusts der vergangenen Monate wettmachen könnte. Doch jetzt steht Kroatien so da, als wäre das Land ein starker Corona-Infektionsherd.
Besteht die Befürchtung, dass sich auch Zuschauerinnen und Zuschauer angesteckt haben könnten? Bislang sind Infektionen ja erst von den Tennisstars bekannt.
Besorgt zeigen sich vor allem die Eltern jener Kinder, die sich mit den Tennisstars haben ablichten lassen. In Zadar werden jetzt viele Coronatests gemacht, bislang sind aber nicht viele Ansteckungen bekannt. Trotzdem wird befürchtet, dass die anwesende Prominenz und die Journalisten das Virus in andere Städte weitertragen könnten.
Bislang waren die Balkanstaaten ja glimpflich durch die Corona-Pandemie gekommen – offiziell, auf jeden Fall ...
Das stimmt tatsächlich für Kroatien – bekannt sind derzeit bloss 117 aktuelle Infektionsfälle, 16 Personen befinden sich im Spital. Doch in der ganzen Region rumort es ziemlich. So gehen die Fallzahlen etwa in Serbien wieder in die Höhe. Auch dort zogen die Tennisspieler bekanntlich durch die Discos. Steigende Infektionszahlen gibt es auch in Kosovo und Mazedonien.
Wie gehen die kroatischen Touristiker mit diesem PR-Desaster um?
In Kroatien gibt es eigens ein Tourismus-Ministerium – die Regierung muss das Fiasko jetzt also ausbaden. Dort wird beteuert, dass Kroatien ein sicheres Land sei und eigentlich nichts Grosses passiert sei.
Für den kroatischen Tourismus ist es ein Desaster.
Doch in Wirklichkeit ist es ein riesiges Desaster. Der Abbruch der Tour und die Nachrichten über die Infektionen ging um die Welt. Der negative Effekt dieser Adria-Tour ist wohl grösser, als er es im positivsten Fall jemals hätte sein können.
Der Schuss ging auch für die Politiker nach hinten los. Könnte das Tour-Desaster einen Einfluss auf die Wahl in anderthalb Wochen haben?
Es ist sicher ein Rückschlag für Premier Andrej Plenković, der jetzt wohl um seine Wiederwahl bangen muss. Eigentlich wollte er als Sieger gegen die Pandemie in die Wahl gehen – tatsächlich war Kroatien ja gut durch die Krise gekommen. Doch Plenković machte die Adria-Tour zur Chefsache, liess sich mit den Spielern ablichten.
Dem Premier wird persönlich angekreidet, dass es zu diesen unverantwortlichen Vorkommnissen gekommen ist.
Obschon sein Corona-Test jetzt negativ war, fordern einige Medien, dass er seine Wahlkampftour durchs Land abbrechen und in die Quarantäne müsse. Sicher ist, dass es ihm persönlich angekreidet wird, dass diese unverantwortlichen Vorkommnisse passieren konnten.
Das Gespräch führte Christoph Kellenberger.