«Lifestyle-Linke» nennt Sahra Wagenknecht ihre Partei. «‹Die Linke› ist eine völlig andere Partei geworden und vertritt jetzt eine linke Politik, mit der ich nichts anfangen kann», meint die 53-Jährige trocken. Zu woke, zu industriefeindlich, zu grün für die links-konservative Wagenknecht.
Seit Jahren im Dauerstreit mit dem Parteivorstand, kündigte die deutsche Bundestagsabgeordnete nicht nur an, am Ende dieser Legislaturperiode nicht mehr für «Die Linke» zu kandidieren. Sie droht auch damit, eine Konkurrenzpartei zu gründen. Nach langem Zaudern und Zögern wurde es nun dem Parteivorstand zu bunt, er zog die Reissleine, die Zukunft der Linken sei eine Zukunft ohne Sahra Wagenknecht.
Von der Ikone zum Spaltpilz
Wagenknecht und die Linkspartei: Das ist eine Hassliebe. 2007 geht die Partei aus der Verschmelzung der PDS, der Nachfolgerin der Sozialistischen Einheitspartei in der DDR, und einer SPD-Abspaltung im Westen hervor. Nur zwei Jahre später dann zog «Die Linke» in den Bundestag ein – und mit ihr Sahra Wagenknecht.
Gescheit und fernsehtauglich mauserte sich die politische Urenkelin von Karl Marx in der Öffentlichkeit zur Ikone der Linken. Parteiintern allerdings polarisierte und spaltete die Lichtgestalt mit ihrer links-konservativen Linie rasch.
Keine Abgrenzung gegen rechts
Doch das Fass zum Überlaufen brachte letzten September Wagenknechts Russland-Rede im Bundestag. Darin warf sie der Bundesregierung vor, «einen beispiellosen Wirtschaftskrieg gegen unseren wichtigsten Energielieferanten vom Zaun zu brechen».
Im Februar dann fand die von naivem Pazifismus beseelte Friedensdemonstration statt und mittendrin auch Wagenknecht. Sie zeigt sich überzeugt: «Wenn man den Krieg beenden will, muss man einen Kompromiss finden.»
Ich wehre mich dagegen, meine politische Positionierung davon abhängig zu machen, was die AfD sagt.
Mit der Forderung, keine Waffen mehr in die Ukraine zu liefern, oder der Kritik an der «unkontrollierten Zuwanderung» ist Wagenknecht ganz auf der Linie der AfD. Sie betont zwar, dass sie mit Rechtsextremen wie Björn Höcke nichts zu tun haben wolle. «Aber ich wehre mich dagegen, meine politische Positionierung davon abhängig zu machen, was die AfD sagt.» In trüben Gewässern fischt die Publizistin und Buchautorin damit allemal.
Neue Partei hätte Potenzial
Wagenknechts anschlussfähige Thesen verfangen bei Altkommunisten wie bei der neuen Rechten. Eine Wagenknecht-Partei würde viele ansprechen, davon ist Politikwissenschaftler Gero Neugebauer überzeugt: «Sie hat die Fähigkeit, mit ihren Vorstellungen, wie Politik sein sollte, wie vor allen Dingen deutsche Politik gegenüber Deutschen sein sollte, das Bedürfnis, den Wunsch zu wecken zu sagen – ja, warum kann das eigentlich nicht durchgesetzt werden?»
Das Potenzial einer eigenen Partei verortet Wagenknecht selbst bei «oberhalb von 20 Prozent. Deutlich oberhalb». Doch noch ziert sie sich, eine Parteigründung anzukündigen und hält an ihrem Abgeordnetenmandat fest, trotz Aufforderung des Parteivorstands, es niederzulegen.
Wenn drei oder vier weitere Linken-Abgeordnete mit ihr verschwinden, ist die Fraktion nicht mehr da.
Für die Bundestagsfraktion «Die Linke» ist Wagenknecht die personifizierte Abrissbirne. Denn «wenn drei oder vier weitere Linken-Abgeordnete mit ihr verschwinden, ist die Fraktion nicht mehr da», prophezeit Neugebauer. Die Möglichkeiten der Linken im Parlament würden damit erheblich reduziert. Es geht um Rederecht, um finanzielle Mittel, um Zugang zu Informationen und Medien. Und um die Zukunft der Linken.