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Stefan Braun in Berlin
Legende: Stefan Braun ist Onlineredaktor der «Süddeutschen Zeitung» in Berlin. SRF/Screenshot Phoenix TV

Deutsche Regierungskoalition «Am Schluss gewinnt immer Angela Merkel»

Der deutsche Journalist Stefan Braun erklärt, warum viele deutsche Sozialdemokraten zögern, wieder eine grosse Koalition einzugehen.

SRF News: Wie sehr ist die SDP in Bezug auf eine erneute grosse Koalition gespalten?

Stefan Braun: Die SPD ist nur zum Teil zwischen Personen gespalten. Im Moment hat jeder einzelne Sozialdemokrat Schwierigkeiten damit, glaube ich. Seit vielen Jahren sind die Sozialdemokraten in der schwierigen Situation, dass sie staatspolitisch mitentscheiden wollen. Andererseits sind sie für ihre Arbeit nicht belohnt worden.

Vor allem Juso-Chef Kevin Kühnert sowie Vertreter des linken Parteiflügels zeigen sich enttäuscht über das Sondierungspapier: Woran stören sie sich vor allem?

Es geht ums Grundsätzliche. Denn wenn man sich dieses Papier anschaut, dann sieht man, dass die Sozialdemokraten in der Summe der kleinen Entscheide viel bewirkt haben. Sie konnten die kleinen Einkommen entlasten. Das betrifft in der Regel junge Familien, die knapp bei Kasse sind. Sie haben auch bei den Krankenkassen etwas erreicht.

Genau für ihre Kernklientel, die kleinen Leute, die in existenzieller Not sind, haben die Sozialdemokraten etwas zustande gebracht.

Sie haben ziemlich viele Investitionen in Schule und Bildung durchgesetzt. Genau für ihre Kernklientel, die kleinen Leute, die in existenzieller Not sind, haben sie so etwas zustande gebracht. Leider gibt es kein grosses Schlagwort, mit dem man auch emotional begründen kann, warum es bei allen Schwierigkeiten richtig ist, in diese Koalition zu gehen.

Die Gegner fordern Nachbesserungen am Sondierungspapier. Ist das geschickt?

Der Wunsch nach Nachbesserungen ist einerseits verständlich, andererseits ist er in der jetzigen Situation Blödsinn. Nachdem man drei Tage und drei Nächte gerungen hat und sich endlich per Handschlag verständigt hat, kann man nicht sagen, ‹ich will es gleich wieder ändern›.

Der Wunsch nach Nachbesserungen ist einerseits verständlich, andererseits ist er in der jetzigen Situation Blödsinn.

So legt man die Axt an das Abkommen. Gleichzeitig wissen wir, dass diese formalen Sondierungsgespräche präziser als andere gewesen sind. Es gibt am Sonntag einen SPD-Sonderparteitag, und da muss der SPD-Chef sagen können, warum er die Koalition eingehen will. Natürlich werden die Koalitionsverhandlungen an der einen oder anderen Stelle noch etwas verändern können.

Wie steht die Parteibasis zu einer grossen Koalition?

Bei der Parteibasis dominiert an vielen Stellen zurzeit der Bauch. Da dominiert das Gefühl, an vielen Stellen nicht belohnt worden zu sein. Es herrscht das Gefühl: Du kannst zwar mit Angela Merkel kooperieren, aber am Schluss gewinnt immer Angela Merkel.

Welches Gewicht haben denn die Gegner einer grossen Koalition im Hinblick auf den SPD-Sonderparteitag am Sonntag?

Das ist schwer zu sagen. Ich wüsste nicht, wie ich entscheiden würde, wenn es am Ende zu einem Ergebnis von 52 zu 48 Prozent für die Koalition kommt. Reichen 52 Prozent für eine Koalition? Es hängt viel davon ab, wie Martin Schulz und Fraktionschefin Andrea Nahles in den nächsten Tagen in den einzelnen Bundesländern dafür werben werden.

Schulz hat bei der Basis trotz seiner Niederlage ein hohes Ansehen.

Schulz hat bei der Basis trotz seiner Niederlage ein hohes Ansehen. Er gilt immer noch als ehrliche Haut, als einer, der Emotionen zeigt, so wie unmittelbar nach der Wahl. Als er sagte, jetzt sei Schluss, jetzt gehe die Partei in die Opposition, haben es viele so empfunden. Das Vorhaben am Sonderparteitag kann scheitern. Aber es kann auch gutgehen.

Das Gespräch führte Brigitte Kramer.

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