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Deutsche Sozialdemokraten SPD-Generalsekretär Kühnert geht – Matthias Miersch rückt nach

  • Gut ein Jahr vor der Bundestagswahl in Deutschland tritt Kevin Kühnert als Generalsekretär der Sozialdemokraten zurück.
  • Der 35-Jährige begründete diesen Schritt in einem Brief an SPD-Parteimitglieder und die Öffentlichkeit mit gesundheitlichen Problemen.
  • Der stellvertretende Fraktionschef Matthias Miersch soll neuer Generalsekretär der SPD werden, wie mehrere deutsche Medien berichten.

Im Brief des abtretenden Kühnert steht: «Die Energie, die für mein Amt und einen Wahlkampf nötig ist, brauche ich auf absehbare Zeit, um wieder gesund zu werden. Deshalb ziehe ich die Konsequenzen», schrieb er.

Er habe die Parteichefs Saskia Esken und Lars Klingbeil daher informiert, dass er heute als Generalsekretär zurücktrete. Bei der Bundestagswahl werde er auch nicht erneut als Abgeordneter kandidieren. Damit zieht sich der Berliner vorerst aus der Politik zurück.

Kevin Kühnert vor einem Mikrofon.
Legende: Kevin Kühnert musste in den letzten Wochen mehrmals nach Wahlniederlagen seiner SPD den Kopf hinhalten. Wie hier nach den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen am 1. September. Bernd von Jutrczenka/dpa

«Diese Entscheidungen haben mich Überwindung gekostet und sie schmerzen mich, weil ich meine politische Arbeit mit Herzblut betreibe», erklärte er. Doch er trage Verantwortung für sich selbst und für die SPD. «Indem ich mich jetzt ganz um meine Gesundheit kümmere, glaube ich, meiner doppelten Verantwortung am besten gerecht zu werden.» Für einen Wahlsieg sei der volle Einsatz der gesamten SPD nötig.

«Auf Miersch wartet eine grosse Herausforderung»

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Einschätzung von Deutschland-Korrespondent Stefan Reinhart:

«Das Amt des Generalsekretärs ist wichtig, der Generalsekretär kommuniziert nach aussen und kann manchmal härter argumentieren als der Parteichef oder im Falle der SPD der Kanzler. Er muss aber auch gegen innen wirken und die verschiedenen Flügel einen. Ich spüre nicht nur in der SPD, sondern in der ganzen Parteienlandschaft grosse Betroffenheit, dass ein 35-jähriger Mann wegen Krankheit alle seine Ämter aufgeben muss. Kevin Kühnert war eine markante Figur im deutschen Politbetrieb und für die SPD ein Talent. Kühnerts Rückzug ist für den Wahlkampf allerdings nicht so dramatisch. Es bleibt immerhin noch ein Jahr bis zur nächsten Bundestagswahl.

Nun soll mit Matthias Miersch ein Politiker auf der klar linken Seite neuer SPD-Generalsekretär werden. Miersch hat das Vertrauen von allen Seiten in der Partei, denn man kennt und achtet ihn schon lange. Dennoch wartet auf Miersch eine grosse Herausforderung – vor allem in der Migrationsfrage. So will Kanzler Scholz mehr Härte an der Grenze und die Parteilinke ist noch nicht bereit, diesen harten Kurs mitzutragen. Darum ist es strategisch wichtig, dass der neue SPD-Generalsekretär ein Parteilinker ist, um die Linke mitzunehmen auf einem harten und klaren Kurs für den Wahlkampf.»

Kühnert verwies darauf, dass er selbst in einem Interview gerade gesagt habe, dass die SPD im Bundestagswahlkampf 2025 über sich hinauswachsen müsse. Die Partei müsse eine enorme Kraftanstrengung unternehmen, um einen Rückstand in Umfragen und in einem «niedrigen Selbstbewusstsein» aufzuholen. «Die Erwartungen an uns sind riesig», hatte er gesagt.

Kühnert ist seit 2021 Generalsekretär der Sozialdemokraten und zog im selben Jahr in den Bundestag ein. Zuvor wurde er als Vorsitzender der Jugendorganisation Jusos bundesweit bekannt – unter anderem, weil er eine Kampagne gegen eine Grosse Koalition aus Christdemokraten und SPD organisierte. 2019 spielte er eine entscheidende Rolle, als die Parteilinken Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans in der Stichwahl gegen den heutigen Kanzler Olaf Scholz und Klara Geywitz an die SPD-Spitze kamen.

Matthias Miersch soll Nachfolge antreten

Die Nachfolge Kühnerts soll der stellvertretende SPD-Fraktionschef Matthias Miersch antreten. Die beiden Parteivorsitzenden Saskia Esken und Lars Klingbeil schlugen den 55-jährigen Politiker aus Hannover am Abend im SPD-Präsidium als Kandidaten vor, wie mehrere deutsche Medien aus Parteikreisen erfahren haben. Dies sei auf einstimmige Zustimmung im SPD-Präsidium gestossen, heisst es.

Miersch, der Co-Vorsitzender der Parlamentarischen Linken in der SPD-Bundestagsfraktion ist, ist nun kommissarisch im Amt. Formal muss er auf einem SPD-Parteitag gewählt werden. Bisher gibt es Planungen für einen ausserordentlichen Parteitag im Sommer 2025, auf dem nach bisherigen Planungen auch Kanzler Olaf Scholz als Kanzlerkandidat der Partei gekürt werden soll.

Miersch in Nahaufnahme am Rednerpult im deutschen Bundestag.
Legende: Er soll ab sofort die Strippen der Kanzlerpartei ziehen: Matthias Miersch, hier vor dem Deutschen Bundestag im März 2024. KEYSTONE/DPA/Britta Pedersen

Miersch gilt als sehr gut vernetzt in der Partei und hat sehr viel Organisationserfahrung. Zudem gilt er als Experte auf dem Gebiet der Energie-, Industrie-, Klima- und Wirtschaftspolitik. Diese gelten im Wahlkampf als wichtige Felder der politischen Auseinandersetzung.

Eine schnelle Entscheidung über die Nachfolge war mit Blick auf die nahende Bundestagswahl 2025 als nötig erachtet worden, zumal es in der Ampel-Koalition anhaltende Spekulationen gibt, ob etwa die FDP die Regierung nicht vorzeitig platzen lässt.

Audio
Aus dem Archiv: Kühnerts kalkulierte Provokationen
aus Echo der Zeit vom 03.05.2019. Bild: Keystone
abspielen. Laufzeit 4 Minuten 12 Sekunden.

SRF 4 News, 07.10.2024, 15 Uhr ; 

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