- Gut ein Jahr vor der Bundestagswahl in Deutschland tritt Kevin Kühnert als Generalsekretär der Sozialdemokraten zurück.
- Der 35-Jährige begründete diesen Schritt in einem Brief an SPD-Parteimitglieder und die Öffentlichkeit mit gesundheitlichen Problemen.
- Der stellvertretende Fraktionschef Matthias Miersch soll neuer Generalsekretär der SPD werden, wie mehrere deutsche Medien berichten.
Im Brief des abtretenden Kühnert steht: «Die Energie, die für mein Amt und einen Wahlkampf nötig ist, brauche ich auf absehbare Zeit, um wieder gesund zu werden. Deshalb ziehe ich die Konsequenzen», schrieb er.
Er habe die Parteichefs Saskia Esken und Lars Klingbeil daher informiert, dass er heute als Generalsekretär zurücktrete. Bei der Bundestagswahl werde er auch nicht erneut als Abgeordneter kandidieren. Damit zieht sich der Berliner vorerst aus der Politik zurück.
«Diese Entscheidungen haben mich Überwindung gekostet und sie schmerzen mich, weil ich meine politische Arbeit mit Herzblut betreibe», erklärte er. Doch er trage Verantwortung für sich selbst und für die SPD. «Indem ich mich jetzt ganz um meine Gesundheit kümmere, glaube ich, meiner doppelten Verantwortung am besten gerecht zu werden.» Für einen Wahlsieg sei der volle Einsatz der gesamten SPD nötig.
Kühnert verwies darauf, dass er selbst in einem Interview gerade gesagt habe, dass die SPD im Bundestagswahlkampf 2025 über sich hinauswachsen müsse. Die Partei müsse eine enorme Kraftanstrengung unternehmen, um einen Rückstand in Umfragen und in einem «niedrigen Selbstbewusstsein» aufzuholen. «Die Erwartungen an uns sind riesig», hatte er gesagt.
Kühnert ist seit 2021 Generalsekretär der Sozialdemokraten und zog im selben Jahr in den Bundestag ein. Zuvor wurde er als Vorsitzender der Jugendorganisation Jusos bundesweit bekannt – unter anderem, weil er eine Kampagne gegen eine Grosse Koalition aus Christdemokraten und SPD organisierte. 2019 spielte er eine entscheidende Rolle, als die Parteilinken Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans in der Stichwahl gegen den heutigen Kanzler Olaf Scholz und Klara Geywitz an die SPD-Spitze kamen.
Matthias Miersch soll Nachfolge antreten
Die Nachfolge Kühnerts soll der stellvertretende SPD-Fraktionschef Matthias Miersch antreten. Die beiden Parteivorsitzenden Saskia Esken und Lars Klingbeil schlugen den 55-jährigen Politiker aus Hannover am Abend im SPD-Präsidium als Kandidaten vor, wie mehrere deutsche Medien aus Parteikreisen erfahren haben. Dies sei auf einstimmige Zustimmung im SPD-Präsidium gestossen, heisst es.
Miersch, der Co-Vorsitzender der Parlamentarischen Linken in der SPD-Bundestagsfraktion ist, ist nun kommissarisch im Amt. Formal muss er auf einem SPD-Parteitag gewählt werden. Bisher gibt es Planungen für einen ausserordentlichen Parteitag im Sommer 2025, auf dem nach bisherigen Planungen auch Kanzler Olaf Scholz als Kanzlerkandidat der Partei gekürt werden soll.
Miersch gilt als sehr gut vernetzt in der Partei und hat sehr viel Organisationserfahrung. Zudem gilt er als Experte auf dem Gebiet der Energie-, Industrie-, Klima- und Wirtschaftspolitik. Diese gelten im Wahlkampf als wichtige Felder der politischen Auseinandersetzung.
Eine schnelle Entscheidung über die Nachfolge war mit Blick auf die nahende Bundestagswahl 2025 als nötig erachtet worden, zumal es in der Ampel-Koalition anhaltende Spekulationen gibt, ob etwa die FDP die Regierung nicht vorzeitig platzen lässt.