Der deutsche Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat zum Auftakt seines dreitätigen offiziellen Besuchs in Griechenland die Stadt Thessaloniki besucht, wo zurzeit ein Holocaust-Museum entsteht. Dieses soll fast 80 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs mithelfen, dass die griechischen Opfer der Nazi-Verbrechen während der deutschen Besatzung nicht vergessen werden.
Vor dem Zweiten Weltkrieg lebten in Griechenland zwischen 72'000 und 77'000 Jüdinnen und Juden. Sie wurden in der Zeit der deutschen Besatzung von 1941 und 1944 verfolgt. Die meisten von ihnen wurden im Konzentrationslager Auschwitz ermordet. 2000 kamen als Überlebende zurück. Nur rund 10'000 Menschen jüdischen Glaubens überlebten die Besatzungszeit, weil sie untertauchten oder in den Widerstand gingen.
Holocaust-Museum – warum so spät?
Dass das Holocaust-Museum erst jetzt entsteht, hat mehrere Gründe. So wurde die Verfolgung und Ermordung der jüdischen Bevölkerung lange Zeit überschattet vom Leid, das die deutsche Besatzung im Land insgesamt verursacht hatte. Dazu gehört auch eine Hungersnot mit hunderttausenden Toten.
Gleichzeitig gab es grossen Widerstand der griechischen Bevölkerung. Die Vergeltung der Nazis trafen fast 2000 Dörfer und Ortschaften, oft mit Massakern und Hinrichtungen der gesamten männlichen Bevölkerung.
Auf der anderen Seite standen die griechischen Kollaborateure der Nazis, die persönlich profitieren wollten. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs kam es so zu einem blutigen Bürgerkrieg zwischen den überwiegend linken Widerstandskämpfern und den rechten Kollaborateuren. Ein Kapitel, das immer noch nicht ganz aufgearbeitet ist.
Der Besuch von Steinmeier in Thessaloniki wurde allgemein positiv aufgenommen, wie SRF-Mitarbeiterin Rodothea Seralidou berichtet. Der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Thessalonikis, David Saltiel, betonte in seiner Rede, dass das Interesse von Steinmeier ausschlaggebend gewesen sei für die Entstehung des Museums. Es soll nicht nur eine Gedenkstätte für die Millionen Opfer werden, sondern zu einem Leuchtturm gegen Rassismus und Antisemitismus.
Athen konfrontiert Steinmeier mit Reparationsforderungen
Am Mittwoch wurde Steinmeier in Athen von Premier Kyriakos Mitsotakis und von Staatspräsidentin Katerina Sakellaropoulou empfangen, welche den Gast umgehend auf das offene Kapitel der Reparationszahlungen wegen der Nazi-Besatzung ansprach. Sie betonte, dass die Kriegsentschädigungen und die an Hitler-Deutschland gezahlte Zwangsanleihe für das griechische Volk noch immer «eine sehr grosse Bedeutung» hätten und das Problem «immer noch in der Schwebe» sei.
Steinmmeier bekannte sich zur deutschen Verantwortung für die «Grausamkeiten» vor und während des Zweiten Weltkrieges, betonte aber: «In der von Ihnen angesprochenen Rechtsfrage vertreten wir eine andere Auffassung. Sie wissen, dass Deutschland die Rechtsfrage der Reparationen für völkerrechtlich abgeschlossen hält. Aber gleichwohl stehen wir zu unserer historischen und moralischen Verantwortung.»
Am Donnerstag reist Steinmeier nach Kreta, wo das historische Gedenken ebenfalls zentral ist. Er wird in der Nähe von Chania den Ort Kandanos besuchen, den deutsche Truppen im Zweiten Weltkrieg zerstörten und die männliche Bevölkerung hinrichteten. Steinmeier will am Mahnmal einen Kranz niederlegen und mit Überlebenden sprechen.