Er gehört zu den wertvollsten und seltensten Rohstoffen der Natur: der Diamant, auch der «König der Edelsteine» genannt. Diamanten haben aussergewöhnliche optische Eigenschaften und gelten als eines der härtesten natürlichen Materialien im ganzen Universum.
Antwerpen ist das Zentrum des Diamantenhandels. Acht von zehn Rohdiamanten, die nach Europa gelangen, wechseln in der belgischen Stadt die Hand. 30'000 Arbeitsplätze hängen dort vom Diamantenhandel ab.
Heute ist der Anteil russischer Diamanten bei 5 bis 10 Prozent.
Vor dem Krieg Russlands gegen die Ukraine lag der Anteil russischer Diamanten am Handel ungefähr bei 25 Prozent. «Heute ist der Anteil russischer Diamanten bei 5 bis 10 Prozent», erklärt Tom Neys. Er ist Sprecher des Antwerp World Diamond Centre.
Es wäre zu erwarten, dass die Branche auf ein mögliches Importverbot russischer Diamanten gelassen reagiert. Das Gegenteil ist der Fall. Die Branche fürchtet ein europäisches Importverbot, meint Tom Neys.
«Europa hätte damit keinerlei Einfluss auf Russlands Krieg. Stattdessen wird riskiert, dass die Diamantenindustrie Antwerpen verlässt. Und Antwerpen ist der Ort in der Welt, an dem der Diamantenhandel am stärksten reguliert ist», hält Neys fest.
Die Händler finden Wege – an den Sanktionen vorbei
Anders als bei Gas und Öl sind die Handelsketten bei Diamanten sehr einfach anzupassen. EU-Sanktionen wären einfach zu umgehen. Es genügt, dass Diamantenhändler ihre Flugroute anpassen und nach Indien oder Dubai fliegen, um ihre Waren zu verkaufen.
Ein Diamant wechselt heute schon vielleicht fünfzigmal den Händler, bevor er seinen Endkunden erreicht.
Dort würden die russischen Rohdiamanten geschliffen und ab diesem Moment sei nicht mehr zu erkennen, ob es sich um Diamanten aus Russland handele, gibt Neys zu bedenken. «Ein Diamant wechselt heute schon vielleicht fünfzigmal den Händler, bevor er seinen Endkunden erreicht. Es ist sehr kompliziert, ein Verfahren zu finden, das die Diamanten über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg verfolgt.»
Die Lösung wären zertifizierte Lieferketten für Diamanten entlang der ganzen Wertschöpfungskette. So könnte jederzeit die Herkunft der Edelsteine belegt werden.
Im Verbund mit der belgischen Regierung plädieren die Diamantenhändler in Antwerpen für eine solche technische Lösung. Die Idee: Alle Ländern, welche die Sanktionen gegen Russland mittragen, führen diesen lückenlosen Herkunftsnachweis für Diamanten ein.
Absatzmarkt liegt hauptsächlich im Westen
Das würde Russland empfindlich treffen. Und es würde auch Zwischenstationen im Diamantenhandel in Indien oder Dubai treffen. Denn 80 Prozent aller Diamanten landen früher oder später ohnehin in Europa, den USA, Kanada oder Japan – also den G7-Staaten. Wie die EU wollen auch sie den Export russischer Diamanten begrenzen.
Letztendlich könnten Händler russische Diamanten zwar kaufen, aber nicht verkaufen.
«Die Händler haben also keine andere Wahl, als sich an dieselben Regeln zu halten. Letztendlich könnten sie russische Diamanten zwar kaufen, aber nicht verkaufen», findet Neys. Auf dem Papier ist diese Lösung überzeugend. Sie hat aber einen grossen Haken: die praktische, technische Umsetzung.
Bis heute gibt es nämlich noch kein funktionierendes System, das die gesamte Handelskette zertifizieren könnte. Bisher gibt es nur Teillösungen. Diese zusammenzuführen ist technisch zwar möglich, benötigt aber viele Monate Vorbereitungszeit. Ein europäisches Importverbot für russische Diamanten dürfte entsprechend schwer durchzusetzen sein.