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Wolfgang Schroeder
Legende: Wolfgang Schroeder ist Politikwissenschaftler an der Universität Kassel und befasst sich mit der AfD. Uni Kassel

Die andere Alternative «Petrys Alleingang setzt die CDU von rechts unter Druck»

Für Konservative innerhalb der Union könnte eine abgetrennte «AfD der Mitte» durchaus attraktiv sein, sagt Politikwissenschaftler Wolfgang Schroeder von der Uni Kassel.

SRF News: Frauke Petry will als fraktionslose Einzelabgeordnete in den Bundestag. Ihr sei ihre Partei zu extrem geworden, sie trage die kompromisslose Oppositionspolitik nicht mit. Spaltet sich die AfD?

Wolfgang Schroeder: Ja, das ist eine klare Spaltung, die von Frauke Petry praktiziert wird. Und sie reiht sich in die Spaltungsgeschichte der AfD ein. Die Partei ist nämlich eine Koalition aus sehr unterschiedlichen Kräften, aus radikalen und gemässigten. Man könnte auch sagen, die Bewegungsorientierten und die Parlamentsorientierten. Petry ist die Anführerin des parlamentsorientieren Flügels. Sie will eine national-konservative Gruppierung jenseits der CDU als feste, politische Kraft, die koalitionsfähig ist und in der Perspektive auch regierungsfähig. Dahin ist es natürlich noch ein weiter Weg. Aber Petry hat mit diesem Coup gestern ein klares Signal gesetzt. Es ist davon auszugehen, dass das keine Eintagsfliege von ihr ist, sondern längerfristig vorbereitet.

Heisst das, dass Frauke Petry Verbündete hat?

Ja. Das hängt mit dem letzten grossen Parteitag der AfD in Köln zusammen. Dort hatte sie schon einen Leitantrag eingebracht, der auf eine pragmatisch-konservative Oppositionsarbeit hinauslief. Der ist von der Partei damals abgelehnt worden. Danach hat die Arbeit der Bündelung begonnen. Das heisst, sie hat sich darum gekümmert, Verbündete zu finden, ein eigenes Netzwerk aufzubauen. Ich gehe davon aus, dass sich dieses Netzwerk nun auch um sie herum gruppieren wird, und dass wir im Bundestag zwei Fraktionen der AfD wiederfinden könnten.

Wenn ihr Netzwerk nicht gross genug wird, wird sie den Fraktionsstatus nicht erreichen.

Wie gross ist dieses Netzwerk?

Das ist eine offene Frage. Die AfD ist mit 94 Abgeordneten im Bundestag. Und wenn dieses Netzwerk nicht gross genug wird, wird sie den Fraktionsstatus nicht erreichen. Die Geschäftsordnung des Bundestages sieht vor, dass man mindestens fünf Prozent aller im Bundestag zusammenkommenden Abgeordneten gewinnen muss, um eine Fraktion gründen zu können. Wenn man davon ausgeht, dass 700 Abgeordnete im Bundestag sitzen, wären das mindestens 35 Abgeordnete. Das ist eine Zahl, die nicht so leicht zu erreichen ist. Die nächsten Tage werden zeigen, ob Petry die Fraktionsgrösse erreichen kann.

Eine national-konservative Gruppierung im Bundestag: Könnte das auch interessant sein für konservative Abgeordnete der CDU/CSU?

Das ist ein interessanter Aspekt, weil der Hauptpunkt der weiteren Entwicklung möglicherweise die CDU sein könnte, die von links und von rechts unter Druck gerät. Innerhalb der Union gärt es. Da gibt es einen Kreis von Konservativen, die mit Merkels modernistisch-pluralem Kurs nicht einverstanden sind. Für diese könnte eine solch gewendete «AfD der Mitte» ein durchaus attraktives Angebot sein. Wenn das der Fall wäre, würde durch diese von Petry initiierte Spaltung der AfD das deutsche Parteienspektrum noch einmal differenziert. Und das würde Konservativen und am rechten Rand operierenden Parlamentariern eine neue Perspektive bieten.

Das Gespräch führte Noëmi Ackermann.

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