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International Die EU – nicht für Krisen konstruiert

Friede, Wohlstand, Sicherheit: Die Bürger haben das Vertrauen in die Versprechen der EU verloren. Sie hat die Krisen der letzten Jahre eher verschärft als die Einheit Europas vorangebracht. Für Richtungsentscheide fehlt es an Einigkeit. Heute findet in Bratislava ein Sondergipfel statt.

Jacques Delors, von 1985 bis 1995 Kommissionspräsident in Brüssel, verglich die EU gerne mit einem Velo: «Hält man es an, fällt es um.» Heute, mehr als zwanzig Jahre später, ist sein berühmtes Bonmot brisanter denn je.

Denn es ist nicht mehr zu übersehen: Das «Velo EU» wurde für die Fahrt auf einer hindernisfreien Strasse konstruiert, schnurstracks der Einigung Europas entgegen. Für die halsbrecherische Durchquerung der heutigen Krisen ist es nicht das richtige Vehikel. Statt die Einheit Europas voranzubringen, hat die Europäische Union die Multikrise, in der sie steckt, noch verstärkt:

  • Als politischer Meilenstein wurde 1999 der Euro eingeführt. Ökonomen warnten bereits damals, dass die gemeinsame Währung für eine Megakrise nicht gerüstet sei. Tatsächlich brachte die globale Finanzkrise ab 2007 den Euro an den Rand des Abgrunds. Den Euro-Regierungen fehlten die Mittel, um individuell zu reagieren. Gleichzeitig gab es keine starke zentrale Führung. Statt Wohlstand brachte der Euro Ungleichheit. Und noch heute streiten die EU-Regierungen über den richtige Weg aus dem Schlamassel: Die Nord- und Oststaaten setzen auf Sparpolitik, die Regierungen in Südeuropa hingegen wollen mehr Geld ausgeben, um das Wachstum anzukurbeln.
  • Mit Schengen sollten die Binnengrenzen für die EU-Bürger abgeschafft, im Gegenzug aber die Aussengrenzen verstärkt werden. Doch nur ersteres geschah, letzteres blieb aus. Als dann Hunderttausende von Flüchtlingen und Migranten aus dem Nahen Osten und aus Afrika in die EU drängten, drohte das Schengen-System zusammenzubrechen. Einig sind sich die EU-Staaten zwar darin, dass die Aussengrenzen endlich besser kontrolliert werden sollen. Doch der Umgang mit den Flüchtlingen bleibt ein Spaltpilz in der EU.
  • Auch die Personenfreizügigkeit ist zur Belastung geworden. Als Folge der grossen wirtschaftlichen Unterschiede innerhalb der EU suchen viele Süd- und Osteuropäer eine neue Existenz im Norden und im Westen. In diesen wohlhabenden Gegenden schrumpft die Akzeptanz der Personenfreizügigkeit. Die Briten haben ihretwegen für den Brexit gestimmt. Umgekehrt wollen die Staaten, deren Bürger von der Freizügigkeit profitieren, unbedingt an ihr festhalten. Auch bei der Personenfreizügigkeit gilt also: Was hätte einen sollen, droht Europa zu entzweien.
  • Jetzt soll das TTIP den EU-Staaten neuen wirtschaftlichen Schwung verleihen. Doch an dem Freihandels- und Investitionsabkommen mit den USA hagelt es von links und rechts Kritik. Freihandel ist gerade auch in den beiden mächtigsten EU-Staaten, in Deutschland und in Frankreich, zunehmend unpopulär. Das Projekt droht zu scheitern.
  • Der EU, so heisst es schliesslich immer wieder, mangle es an Demokratie. Doch mehr Demokratie hiesse letztlich wohl: mehr Legitimität und Macht für die Zentrale in Brüssel – zulasten der Mitgliedsstaaten, die heute den Ton angeben.

Denn im Kern ist das die Frage: Soll die EU generalüberholt werden für den langen Weg von einem Staatenbund in Richtung Bundesstaat? Oder soll sich die EU in umgekehrter Richtung entwickeln: weniger Ambitionen, weniger Kompetenzen? Für beide Richtungen dürfte es in absehbarer Zukunft keine Mehrheit geben. Dem «Velo EU» droht der Stillstand. Ein gefährlicher Zustand – glaubt man Jacques Delors.

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