- 11. März 2011, 14.46 Uhr (Ortszeit)
Es ist ein gewaltiges Erdbeben, das Japan an diesem Nachmittag erschüttert. Die Seismologen registrieren eine Stärke von 9.0 auf der Richterskala – und damit das schwerste Beben, das Japan je erlebt hat. Das Epizentrum liegt im Pazifik vor der Nordostküste, zu spüren sind die Erschütterungen aber auch in weit entfernt liegenden Landesteilen. Und damit nicht genug: In Folge des Bebens kommt es zu einem Tsunami.
Als «Tagesschau»-Moderator Mario Grossniklaus am Nachmittag Schweizer Zeit die Zuschauer begrüsst, steht bereits fest, dass es enorme Schäden gegeben haben muss. An den später eintretenden GAU in der Atomanlage Fukushima ist zu diesem Zeitpunkt allerdings noch nicht zu denken.
- 11. März, späterer Nachmittag
Das Beben ereignete sich rund 125 Kilometer vor der Nordostküste der Hauptinsel Honshu. Der anschliessende Tsunami macht innerhalb kürzester Zeit rund 260 Küstenorte dem Erdboden gleich. Besonders betroffen: die Stadt Sendai. Von dort gehen dramatische Bilder um die Welt.
Rasch wächst die Sorge um die Sicherheit der Atomkraftwerke in der Region. Doch die Behörden beschwichtigen. Japans Ministerpräsident Naoto Kan ruft die Bevölkerung zur Besonnenheit auf. «Einige der Atomkraftwerke wurden nach dem Erdbeben automatisch heruntergefahren», sagt er. «Bis jetzt gibt es keine Anzeichen dafür, dass atomares Material ausgetreten ist.»
Auch im Atomkraftwerk Fukushima I, rund 250 Kilometer nordöstlich von Tokio gelegen, wurden die Reaktoren nach dem schweren Erdbeben automatisch heruntergefahren. Doch der nachfolgende Tsunami legt die Notstromaggregate lahm, die für die Kühlsysteme der beschädigten Reaktoren so dringend nötig sind. Nun wird mit Batterien weiter gekühlt.
- 11. März, abends
Langsam aber sicher wird klar: Es besteht Anlass zu grosser Sorge. Nach dem Ausfall der Kühlung in Fukushima I rufen die Behörden den atomaren Notstand aus. Anwohner in einem Radius von zunächst einem Kilometer müssen das Gebiet verlassen. Wenig später wird die Zone auf zwei, dann auf drei Kilometer ausgeweitet. Menschen, die in einem Umkreis von zehn Kilometern um die Anlage leben, sollen ihre Häuser nicht mehr verlassen.
- 12. März, vormittags
Die Lage in Fukushima wird immer dramatischer. Der Umkreis, in dem die Menschen ihre Häuser verlassen müssen, wird grösser. Grosse Sorgen bereitet zunächst der Reaktor 1. Die Betreiber entlüften den Meiler, damit Druck entweichen kann. Radioaktiver Dampf wird frei, nun steigt die Strahlenbelastung. Ein Vertreter der Atomaufsicht schliesst nicht aus, dass eine Kernschmelze bereits eingetreten ist.
- 12. März, 15.36 Uhr
Im Reaktor 1 kommt es zu einer Wasserstoffexplosion, Teile des Gebäudes stürzen ein – alles vor laufenden Fernsehkameras. Auch die «Tagesschau» berichtet in einer weiteren Sondersendung darüber.
- 12. März, kurz nach 20.00 Uhr
Die Tepco-Mitarbeiter beginnen, die Strahlenschutzhülle – das so genante Containment – mit Meerwasser zu fluten. So soll der Druckbehälter des Reaktors von aussen gekühlt werden. Wer sich auskennt, weiss nun: Mit diesem Schritt wird der Reaktor aufgegeben. Jetzt geht es nur noch darum, eine mögliche Kernschmelze zu verhindern.
- 13. März, früher Morgen
Der Sonntag beginnt für die Japaner mit neuen besorgniserregenden Meldungen. Längst steht nicht mehr nur der zerstörte Reaktor 1 in Fukushima im Fokus, auch im Reaktor 3 ist die Kühlung inzwischen total ausgefallen. Um den Druck abzusenken, wird auch hier nun entlüftet. Ab Mittag wird auch das Containment dieses Reaktors mit Meerwasser geflutet.
In einer weiteren Sonderausgabe der «Tagesschau» berichtet SRF-Korrespondentin Barbara Lüthi aus Sendai – einer Stadt, in der Erdbeben und Tsunami so grosse Schäden angerichtet haben. Unter den Überlebenden wächst die Angst vor einem GAU im nur 80 Kilometer entfernten AKW Fukushima.
- 14. März, 11.00 Uhr
Die Hiobsbotschaften reissen nicht ab. Ein neues Erdbeben erschüttert die Region. Im zerstörten AKW Fukushima kommt es zu einer weiteren Explosion. Ein Regierungssprecher räumt ein, dass in den Reaktoren 1, 2 und 3 eine gefürchtete Kernschmelze mittlerweile «höchst wahrscheinlich» sei.
- 15. März, 6.20 Uhr
Wer weiss noch, was im zerstörten Atomkraftwerk wirklich vor sich geht? Die Lage in Fukushima gerät ausser Kontrolle. Auch im Block 2 kommt es nun zu einer Explosion. Die Strahlenbelastung steigt so stark an, dass der Betreiber 750 Mitarbeiter abzieht, nur 50 arbeiten weiter unter der erhöhten Belastung.
Aus Block 4 wird ein Brand im Bereich des Abklingbeckens gemeldet, Radioaktivität gelangt direkt in die Atmosphäre. Enorme Dosen werden gemessen. Die Aussenwand ist beschädigt. Experten fürchten, dass es auch in Block 4 zu einer kleineren Wasserstoffexplosion im Reaktorgebäude gekommen sein könnte, bei der das Abklingbecken beschädigt wurde. Angeblich soll das Wasser im Becken kochen. Die letzte Temperaturmessung stammt vom 14. März 4 Uhr morgens, da wurden 84 Grad gemessen.
- 16. März
Im Kampf gegen die drohende Atomkatastrophe gibt es weitere Rückschläge. Wegen der erhöhten Strahlenbelastung müssen vorübergehend alle Helfer abgezogen werden. Später sinken die Werte wieder und Techniker kehren zurück.
Die erste Schadensbilanz ist erschreckend: Block 1 läuft mit Generatorstrom, die Meerwasserkühlung wird fortgesetzt, die Brennstäbe liegen trotzdem fast zur Hälfte frei. In Block 2 liegt ein Drittel der Brennstäbe frei, aufgrund erhöhter Strahlenwerte wird vermutet, dass das Containment beschädigt sein könnte. Die Meerwasserkühlung wird fortgesetzt. Aus Block 3 steigt weisser Rauch oder Dampf auf, der Kontrollraum des Reaktors musste einige Zeit wegen erhöhter Strahlenbelastung geräumt werden. In Block 4 wird ein weiteres Feuer entdeckt.
- 17. März
Mit Wasserwerfern, Löschfahrzeugen und Militärhelikoptern versuchen die Helfer die überhitzten Reaktoren zu kühlen. Der Betreiber vermeldet endlich erste Erfolge: Ein erster Schritt in Richtung Erholung sei getan, sagt ein Sprecher. Die Strahlung habe sich auf niedrigem Niveau stabilisiert, eine Notstromleitung zum Kraftwerk stehe kurz vor der Fertigstellung und auch die Helikopterflüge hätten Wirkung gezeigt.
- 18. März
Die Lage im zerstörten Atomkraftwerk stabilisiert sich ganz leicht. Die Notstromleitung steht. Nun wird geprüft, ob die Notkühlsysteme in Reaktor 1 und 2 damit wieder angeschlossen werden können.
- 19. März
Acht Tage nach der Katastrophe wird die Hoffnung laut, dass es nicht zum Allerschlimmsten kommt. Eine «Tagesschau»-Grafik zeigt den Stand der Dinge.
- 20. März
Die Regierung in Tokio gibt bekannt, dass die zerstörte Fukushima nicht wieder ans Netz gehen wird. Das zur Kühlung eingesetzte Meerwasser habe die Technik irreparabel beschädigt, heisst es.
Die «Tagesschau» berichtet von weiteren Erfolgen bei den gefährlichen Aufräumarbeiten in Fukushima. Ein sichtlich betroffener Feuerwehrchef spricht den Familien der Arbeiter in der AKW-Ruine seine Anteilnahme aus. In anderen Landesteilen sorgen sich die Menschen um die Sicherheit der Lebensmittel, berichtet Korrespondent Markus Böhnisch aus Tokio.