Die Strehles lieben das Wasser. Badeferien sind deshalb fast jedes Jahr geplant. Die thailändische Insel Ko Racha haben sie bereits mehrmals besucht.
An einem anderen Tag hätten sich Sabine und Andreas Strehle zum Zeitpunkt des Tsunamis noch im Wasser befunden. Heute nicht. Aus Gründen, die er sich selbst nicht erklären kann, hat Andreas Strehle an jenem Sonntag darauf gedrängt, früher loszubrechen.
Der erste Gedanke: Der Vollmond
Gerade als sie aus dem Wasser stiegen, zog sich das Meer plötzlich zurück. «Ich dachte sofort an den Vollmond», erinnert sich Sabine Strehle. Am Abend zuvor hatte eine Vollmond-Party stattgefunden. Doch plötzlich spielen sich seltsame Dinge ab: Die Boote am Strand werden wie an Gummiseilen aufs Meer hinausgezogen, einige stehen auf Felsen.
Kaum hat Sabine Strehle ihre Flossen ausgezogen, schreit ihr Mann: «Jetzt, los, renn! Wir müssen weg! Lass deine Flossen liegen, renn!» Sie versteht die Aufregung nicht. Trotzdem rennt sie los. Und dann hört sie hinter sich das ohrenbetäubende Getöse der Welle. Des Tsunami.
Die Strehles flüchten auf einen Hügel im Dschungel. Auch die paar Dutzend weiteren Touristen und die wenigen Thai auf der Insel suchen dort Zuflucht. Die Panik ist vielen ins Gesicht geschrieben – und an ihrem Verhalten abzulesen: Die Ausländer streiten sich um Schwimmwesten und Wasser. Denn niemand weiss, wann die nächste Welle kommt, und wie hoch diese sein wird. Es sind bange Stunden.
Nachtwache späht aufs Meer
Am Abend entscheidet das Ehepaar, zu den Bungalows zurückzukehren. Auch hier haben sie Glück. Wegen Baumassnahmen konnten sie nicht wie sonst üblich einen Bungalow am Strand beziehen, sondern einen in der letzten Reihe am Hang. Diese bleiben als einzige vom Tsunami verschont. Sie entschliessen sich, im Bungalow zu übernachten.
Die Touristen organisierten sich für die Nacht. Eine Person hält Wache und späht auf das Meer hinaus. Die Thai teilen ihre Vorräte mit den Touristen. Niemand weiss, wann sie von der Insel abgeholt werden, wann wieder Essen gebracht wird.
Am zweiten Tag nach der Katastrophe werden Helfer aus einem Helikopter Care-Pakete auf den Strand. Auch hier entflammt wieder ein Verteilkampf unter den Touristen. Viele Thai gehen leer aus. «Das hat mich erschüttert», erinnert sich Sabine Strehle. «Gerade wenn man so toll aufgenommen wird und die Menschen ihr Letztes hergeben.»
Irgendwann wird klar: Es fehlt eine Touristin. Sie schlief nach der Vollmond-Party am Strand – und wurde am Morgen vermutlich vom Tsunami überrascht.
Am dritten Tag kommt schliesslich ein Schiff der Marine. Es bringt die Touristen nach Phuket. Die Erleichterung ist gross – zunächst.
Schuhe und Kleider im Wasser
Auf der Überfahrt sehen die Touristen Schuhe, Kleidung und Trümmer im Meer – vielen dämmert nun, was wirklich passiert ist.
Im Phuket müssen alle auf das Bürgeramt, um sich registrieren zu lassen. «Da waren überall Bilder von Toten. Männer mit Schildern suchten nach ihren Frauen und Kindern. Das war ein richtiger Schock.» Auf der Insel haben sie das Ausmass der Katastrophe nicht mitbekommen.
Albträume und Übelkeit
Nach der Tsunami-Katastrophe leidet Sabine Strehle etwa zwei Monate lang unter Albträumen: «Ich stehe am Strand, bin wie festgeklebt und die Welle kommt.» Ihren Mann verfolgen die Bilder nicht. Nur einmal wird ihm übel, als er die Berichterstattung am Fernsehen sieht.
Zwei Jahre später kehren sie auf Ko Racha zurück. Dort treffen sie auf viele Gäste, die sie bereits 2004 kennengelernt haben. Trotz der schlimmen Erinnerungen können sie den Urlaub geniessen.
Die Tsunami-Katastrophe hat das Leben der Strehles nicht gross verändert. «Doch ab und zu denkt man sich, wie vergänglich alles ist. Und dass man versuchen sollte, im Hier und Jetzt zu leben. Dass man das Leben geniesst und sich nicht verrückt machen lässt von dem, was passiert. Es kann sich so schnell alles ändern», sagt Sabine Strehle. «Aber ich denke längst nicht mehr jeden Tag daran.»
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Bild 1 von 11. Nicht zum ersten Mal verbringen Sabine Strehle und ihr Mann ihren Urlaub auf Ko Racha. Beide schnorcheln gerne, und dazu sind die Bedingungen auf der kleinen Insel vor Phuket ideal. Bildquelle: Sabine Strehle.
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Bild 2 von 11. An diesem Morgen gehen sie ausnahmsweise eine halbe Stunde früher schnorcheln – um vor den Touristenbooten zu sein und das Wasser für sich alleine zu haben. Bildquelle: Sabine Strehle.
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Bild 3 von 11. Doch kaum steigen sie aus dem Meer, passiert Merkwürdiges: Eine grössere Welle überrollt den ganzen Strand, reisst Schirme und Liegestühle um. Doch das ist erst der Anfang. Bildquelle: Sabine Strehle.
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Bild 4 von 11. Das Wasser zieht sich zurück, die Boote werden wie an Gummischnüren aufs Meer hinausgezogen. Das Ehepaar Strehle steht am Strand und denkt zuerst an eine Ebbe, denn am Abend zuvor hatte eine Vollmond-Party am Strand stattgefunden. Dann schreit Andreas Strehle plötzlich: «Lauf, schnell, lauf!». Bildquelle: Sabine Strehle.
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Bild 5 von 11. Die Strehles flüchten auf einen Hügel – auch andere Touristen und Einheimische suchen hier Schutz. Den ganzen Tag verbringen sie in Badekleidern im Dschungel. Niemand weiss, ob nochmals eine Welle kommt, und wie hoch diese sein wird. Am Abend entscheidet das Ehepaar, wieder zurück an den Strand zu gehen. Bildquelle: Sabine Strehle.
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Bild 6 von 11. Dort trauen sie ihren Augen nicht. Das schöne Strand-Restaurant, in dem sie täglich gefrühstückt haben... Bildquelle: Sabine Strehle.
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Bild 7 von 11. ...hängt in Fetzen an den Felsen. Bildquelle: Sabine Strehle.
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Bild 8 von 11. Aus dem Traumstrand... Bildquelle: Sabine Strehle.
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Bild 9 von 11. ...klaffen nun riesige Löcher. Überall liegen Holzstücke, Badetücher und Felsbrocken herum. Bildquelle: Sabine Strehle.
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Bild 10 von 11. Die wenigen Einheimischen teilen ihre Vorräte mit den Touristen. Wann sie Hilfe erhalten werden, weiss niemand. Drei Tage lang sitzen alle auf der Insel fest. Bildquelle: Sabine Strehle.
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Bild 11 von 11. Am dritten Tag schliesslich kommt ein Militärschiff und bringt die gestrandeten Touristen nach Phuket. Erst dort wird ihnen das ganze Ausmass der Tragödie allmählich bewusst. Bildquelle: Sabine Strehle.