Erste Ermittlungserfolge nach den sexuellen Übergriffen in der Kölner Silvesternacht: Die Polizei identifizierte drei Verdächtige. Die Zahl der Strafanzeigen in Köln stieg auf mehr als 100. In Hamburg liegen 53 Anzeigen von Opfern sexueller Übergriffe oder Diebstählen vor. Im Internet kocht derweil die Volksseele, oder zumindest ein Teil davon.
Obwohl laut Innenminister Thomas de Maizière nach wie vor nicht feststeht, ob unter den Tätern Flüchtlinge waren, kommen dabei genau diese unter Beschuss. So hemmungslos die Übergriffe am Kölner Bahnhof waren, so hemmungslos wird online angeprangert. «Kein Schutz mehr vor kriminellen Ausländern. Der Staat hat längst kapituliert», lautet der Tenor in manchen Kommentarspalten.
Selbst jene, die sich gegen Pauschalisierungen und Vorverurteilungen wehren, finden deutliche Worte. «Wir dürfen nicht dulden, dass sich die Atmosphäre hier im Land so ändert, dass wir Frauen in der Nacht nicht mehr auf die Strasse gehen können», fasste am Dienstag eine Demonstrantin die Forderungen der Kundgebung «gegen sexuelle Gewalt und Rassismus» in Köln zusammen.
Angela Merkel schweigt öffentlich weiter
Bis heute nicht vor der Kamera geäussert hat sich die Bundeskanzlerin. Obwohl Angela Merkel bei einem Treffen mit CSU-Chef Horst Seehofer in Bayern Gelegenheit dazu gehabt hätte. Gesprochen wurde jedoch lediglich über die angespannte Wirtschaftslage, die Aussen- und die Flüchtlingspolitik. Die Vorfälle an Silvester waren, soweit bekannt, kein Thema.
Ein Grund für Merkels Schweigen zu den Ereignissen sei mit Sicherheit die bisher magere Faktenlage dazu, meint SRF-Korrespondent Adrian Arnold. Merkel wisse, dass in der jetzigen Situation jedes falsche Wort Öl ins Feuer einer ohnehin schon sehr aufgeheizten Flüchtlingsdebatte wäre.
Beim heutigen Treffen mit Horst Seehofer die Wirtschafts- und Aussenpolitik zu priorisieren, sei «typische Merkel-Strategie», so Arnold: «Sie will damit Druck aus der Flüchtlingsdebatte nehmen und aufzeigen, dass es noch andere Themen gibt, die für Deutschland und Europa wichtig sind.»
Allerdings werde es der Kanzlerin damit keinesfalls gelingen, die grosse Verunsicherung in grossen Teilen der Bevölkerung zu nehmen. Die Leute wollten wissen, wie viele Flüchtlinge in diesem Jahr in Deutschland aufgenommen würden, sagt Arnold. «Wenn Merkel diese Antworten früher oder später nicht liefern kann, dürfte sie das grosse Vertrauen, dass sie derzeit noch geniesst, verlieren.» Jedoch seien die Ereignisse von Köln eine schwere Hypothek für eine sachliche Diskussion über deutsche Willkommenskultur und Flüchtlingspolitik.