Anfang März fanden in Sierra Leone Wahlen statt. Beim Auszählen der Stimmen kam in einem Testlauf parallel zur üblichen Zählmethode auch Software des Lausanner Start-ups Agora zum Einsatz. Deren System nutzt die Blockchain, das Kassenbuch hinter den Kryptowährungen wie dem Bitcoin. Das sorgte weltweit für Schlagzeilen: Erstmals kam nämlich die Blockchain bei Wahlen zum Einsatz.
Die Anhänger des E-Votings über die Blockchain versprechen sich viel:
- Mehr Sicherheit: Die Hürde für Manipulationen von Wahlresultaten wird massiv erhöht.
- Mehr Verfügbarkeit: Ein kompletter Ausfall ist unwahrscheinlich.
- Geringere Kosten: Blockchain-Lösungen kosten im Betrieb weniger als herkömmliche elektronische Abstimmungssysteme.
Die Gegner des E-Votings kritisieren:
- Mangelnde Sicherheit: Auch die Blockchain garantiert keinen absoluten Schutz vor Manipulation. Das führt zu mangelndem Vertrauen - und das ist Gift für die Demokratie.
- Ungenügende Transparenz: Für Bürger ohne Fachkenntnisse ist nicht mehr nachvollziehbar, wie eine Abstimmung oder Wahl abläuft.
Weltpremiere in Sierra Leone
Während der letzten Wahlen in Sierrea Leone am 7. März kam es zu einer Weltpremiere: Nach dem die Wählerinnen und Wähler ihr Wahlformular in die Urne warfen, wurde jeder einzelne Wahlzettel nach der üblichen Verarbeitung auch noch mit Hilfe von Schweizer Software erfasst und auf einer Blockchain abgelegt, einer Datenablage mit ganz speziellen Eigenschaften
Die Blockchain kann man sich als Netz von unzähligen Computern vorstellen, die verteilt auf verschiedene Standorten laufen und miteinander über das Internet verbunden sind. Auf jeder Maschine läuft eine Kopie der E-Voting-Software. Wird an einem Computer ein Wahlzettel erfasst, legt die Software die Information so ab, dass niemand einen Eintrag unbemerkt fälschen kann. Dann schickt der Computer eine Kopie des Wahlzettels an alle andere Maschinen im Verbund, die die Information bei sich auf die gleiche Weise ablegen. So wird eine Datenablage aufgebaut, die aus unzähligen Kopien besteht.
Blockchain: Sicheres E-Voting für wenig Geld
Die Anhänger der Blockchain-Lösung sind überzeugt, dass Abstimmen mit Blockchain-Technologie sicher ist: «Wenn ich dieses System angreifen will, dann müsste ich die Mehrzahl der Computer im Verbund hacken» sagt etwa Alexander Denzler, Dozent an der Hochschule Luzern. Die Hürde, um Wahlergebnisse zu manipulieren, sei massiv höher als bei herkömmlichen E-Voting-Systemen.
Der Informatiker, der selber an einem ähnlichen Abstimmungssystem für den Kanton Zug arbeitet, sieht noch weitere Vorteile: «Weil das System verteilt auf verschiedenen Rechnern läuft, ist es viel stabiler». Fällt eine Maschine aus, kann man seine Stimme auf einer anderen abgeben. Zu alledem seien Blockchain-Lösungen im Betrieb auch noch günstiger als konventionelle E-Voting-Systeme, so Alexander Denzler.
E-Voting schadet der Demokratie
Die Gegner des E-Votings in der Schweiz überzeugt das nicht: «Die Blockchain-Technologie sehen wir nicht als Lösung für die Sicherheitsprobleme beim E-Voting» sagt einer ihrer Vertreter, Franz Grüter, Luzerner SVP Nationalrat und IT-Unternehmer. Sicherheit ist für den Politiker ein zentraler Aspekt: Ist die nicht gewährleistet, schwindet das Vertrauen und E-Voting wird zur Gefahr für die Demokratie.
Franz Grüter ist nicht allein mit diesen Bedenken. Seit der Bundesrat den Fahrplan für E-Voting für die Wahlen 2019 kommuniziert hat, äussern Politikerinnen und Politiker quer durch alle Parteien ihre Vorbehalte, darunter auch viele IT-Fachleute.
Das letzte Wort hat das Volk
Franz Grüter betont, dass er nicht grundsätzliche gegen elektronische Abstimmungssysteme ist. Für ihn muss neben der Sicherheit auch gewährleistet sein, dass jede Stimmbürgerin, jeder Stimmbürger zurückverfolgen kann, ob eine Wahl oder Abstimmung korrekt verlaufen ist.
Zwei Lager stehen sich gegenüber: Die E-Voting Befürworter vertrauen auf die neue Technologie und sehen darin eine Chance für die Demokratie. Für die Gegner ist die Technologie unsicher. Das weckt Zweifel und untergräbt die Demokratie.
Die Gegner wollen nun eine Initiative lancieren, so dass das Stimmvolk entscheiden kann – noch ganz auf die herkömmliche Weise: Mit Papier und Stift.
Sendebezug: SRF 4 News, 23.03.2018