Auf der kleinen Insel Bantayan unterbricht einzig eine Karaoke-Sängerin die abendliche Ruhe. Doch die Misstöne scheinen die Inselbewohner nicht zu stören. Sie sitzen vor ihren neuen Häusern, eine Büchse Bier in der Hand.
Taifunsicheres Haus
Im Wohnzimmer des 54-jährigen Fischers Danilo Pastorpide steht ein Weihnachtsbaum, vor der Eingangstür piepen Küken. Vor wenigen Tagen habe sein neues Haus die Feuerprobe bestanden, so Danilo. Seine Frau Catalina erzählt: «Letzte Woche hatten wir hier wieder einen Taifun, aber wir haben uns sicher gefühlt. Die Kinder haben sogar geschlafen und wir sind am Fenster gestanden und haben dem Regen zugeschaut.»
Als vor drei Jahren der Wirbelsturm «Haiyan» über die Insel fegte, war das anders. Damals wurden auf Bantayan viele Häuser zerstört. Die Erinnerung an diesen Tag ist Danilo geblieben – und auch die Angst: «Mein Sohn starb beinahe, als das Haus über ihm zusammenbrach. Der Tod kam uns so nahe!»
Caritas hat 1200 Häuser gebaut
Von der Regierung erhielt Danilos Familie nach dem Taifun umgerechnet 600 Franken. Und Caritas Schweiz finanzierte ihr ein neues Haus. Beim Bau musste Danilo allerdings selber anpacken – eine grosse Chance: «Jetzt haben wir ein starkes Haus, das nicht mehr weggeweht werden kann. Und das Beste ist: Ich wurde zum Schreiner ausgebildet, kann jetzt selber Häuser bauen und damit Geld verdienen.»
1200 Häuser und 80 Klassenzimmer hat die Caritas in den vergangenen drei Jahren auf Bantayan und der Nachbarinsel Kinatarkan gebaut. 400 Inselbewohner wurden zu Maurern und Schreinern ausgebildet. Dieses Ausbildungsprogramm werde auch dann noch Früchte tragen, wenn Caritas im kommenden Sommer die Inseln verlassen werde, betont Marcel Reymond, Leiter von Caritas auf den Philippinen.
Man habe versucht sicherzustellen, dass sich die Leute nach dem nächsten Taifun selber helfen könnten. Dank der zu Handwerkern ausgebildeten Einheimischen könnten sich die taifunsicheren Bautechniken weiter verbreiten, hofft er.
Kanariengelbe neue Schule
In einer kanariengelb gestrichenen Schule wird noch immer gesägt. Auch dieses Gebäude wurde vom Wirbelsturm komplett zerstört. Inzwischen ist es mit der Hilfe von Caritas und der Regierung wieder aufgebaut worden.
In einem der Klassenzimmer pauken Schülerinnen und Schüler Englisch. Bei einem nächsten Taifun würden sie in der Schule Zuflucht suchen, sagen sie. Sie wissen, was sie zu tun haben, und sie kommen gerne hierher: «Die Schule gefällt uns. Die Räume sind bunt und grösser. Wir fühlen uns sicher hier», sagt eine Schülerin.
Korruption und Gewinnsucht
Schulleiterin Nelita Otero geht sogar so weit, den Wirbelsturm «Haiyan» als «Glück im Unglück» zu bezeichnen: «Die alte Schule war baufällig. Kein Wunder wurde sie von ‹Haiyan› zerstört. Aber jetzt haben wir eine sichere Schule, und alle Leute wissen, dass sie jederzeit hierher kommen können.»
Dass bei dem Taifun so viele Schulen zerstört wurden, liege wohl an der Korruption, weiss Reymond von der Caritas. «Die Regierung implementiert ihre Projekte meist mit lokalen Baufirmen. Diese können ihren Gewinn vergrössern, indem sie nicht so bauen, wie sie eigentlich sollten», sagt er. Wenn das niemand überwache, würden billigere Materialien verbaut. Dies führt dazu, dass die Gebäude dann nicht taifunsicher sind.
Misswirtschaft angeprangert
Caritas hat nach «Haiyan» die eigenen Bauprojekte sowie jene Schulen, die sie gemeinsam mit der Regierung wieder aufbaute, überwacht. Dabei stellte das Team fest, dass selbst die Regierung schlechteres Material verwendete. Reymond konfrontierte die Regierungsstellen damit.
Diese hätten sich ob seiner Intervention nicht sehr erfreut gezeigt: Eine Regierungsdelegation von sieben Leuten habe ihn besucht und aufgefordert, solche Bemerkungen zu unterlassen. «Sie waren ziemlich erbost und sagten, es sei nicht unsere Aufgabe, die Regierung zu überwachen.»
Doch Reymond liess sich davon nicht abschrecken. Er hat inzwischen bei den fehlerhaften Bauprojekten eine Materialstudie durchgeführt und die Resultate dem zuständigen Minister zukommen lassen. Jetzt wartet er auf eine Antwort.
Hilfe über den Wiederaufbau hinaus
Jetzt, drei Jahre nach dem Taifun, ist das Caritas-Projekt beinahe abgeschlossen. Dagegen sind die meisten Häuser, die von der Regierung hätten gebaut werden sollen, bis heute noch nicht fertig. Deshalb zeigt sich Fischer Danilo glücklich, dass er nicht in ein Aufbauprogramm der Regierung, sondern in jenes von Caritas aufgenommen wurde.
Danilo schaut zuversichtlich in die Zukunft: «Ich werde auch weiterhin fischen gehen, aber wenn das Wetter schlecht ist, es zu viel Wind oder nicht genügend Fische hat, dann kann ich nun einfach irgendwo als Schreiner arbeiten.»
Seine Frau Catalina nickt zufrieden. Sie hat ihrem Mann die Hand auf die Schulter gelegt und sagt verschmitzt: «Früher hatten wir ständig Streit, weil Danilo nicht genügend Arbeit hatte und stattdessen mit seinen Kumpanen trank. Jetzt ist er immer beschäftigt und bringt Geld nach Hause. So konnten wir unserem Sohn das Studium finanzieren. Und unsere Ehe, ja, der geht es auch wieder gut.»
Das Hilfsprojekt von Caritas –so könnte man fast sagen – hat den Bewohnern also nicht nur ein Dach über dem Kopf gegeben, sondern auch manch schiefen Haussegen wieder gerade gerückt.