Darum geht es: Der belarussische Autokrat Alexander Lukaschenko geht immer schärfer gegen die kritische Zivilgesellschaft vor. Es sei landesweit eine «totale Säuberung» samt politischer Verfolgung im Gange, teilte das belarussische Menschenrechtszentrum Viasna Ende letzter Woche mit. Mehr als 40 Nichtregierungsorganisationen seien inzwischen verboten oder geschlossen, darunter humanitäre Initiativen, juristische Hilfen – und das PEN-Zentrum in Minsk. Damit wird es für belarussische Schriftstellerinnen und Schreiber praktisch unmöglich, noch etwas zu veröffentlichen. «Ihnen drohen Festnahmen und Durchsuchungen», sagt Jasper Steinlein, ARD-Korrespondent in Moskau.
So wird die Schliessung begründet: Gegen das PEN-Zentrum wurde eine Zivilklage angestrengt. Wohl zu diesem Zweck seien die Büros des Clubs kürzlich durchsucht worden – notabene ohne dass Mitglieder vor Ort gewesen seien, so Steinlein. Es werde jetzt wohl eine fadenscheinige Begründung gesucht – wie im Fall des Journalistinnen-Verbands. Dieser wurde verboten, weil es Fehler in den Dokumenten für die Büropacht gegeben habe. «Der PEN-Club hat seit August vergangenen Jahres Informationen von Menschenrechtsverstössen gegen Leute in der Kulturarbeit gesammelt.» Deshalb sei er ins Visier Lukaschenkos geraten.
Darum sind jetzt die Schriftsteller dran: «In der Vorstellung von Lukaschenko gehören alle zur Opposition, die sich nicht konsequent auf seine Seite stellen», sagt Steinlein. Die Präsidentin des belarussischen PEN-Zentrums, Literaturnobelpreisträgerin Swetlana Alexijewitsch, habe Lukaschenko letztes Jahr dazu aufgefordert, zurückzutreten. «Das kann er nicht auf sich sitzen lassen.» Um der möglichen Repression des Autokraten zu entkommen, lebt Alexijewitsch seit September 2020 in Deutschland. Wie sie sind in den letzten Monaten viele weitere kritisch denkende Belarussinnen und Belarussen ins Exil gegangen.
Das sind die Folgen für die Opposition: «Die Massendemonstrationen, wie wir sie im vergangenen Herbst gesehen haben, sind verschwunden», stellt der Korrespondent fest. Zu gross sei die Repression des Regimes. Immer noch gebe es aber kleinere Aktionen und Versammlungen der Opposition. Solche Kleinproteste würden gefilmt und im Netz verbreitet. So bleiben die Kritiker immerhin virtuell präsent. Sehr engagiert seien auch die Belarussinnen und Belarussen, die ins Ausland geflüchtet seien. «Lukaschenko spricht bereits von ‹Agentinnen und Provokateuren›, die Belarus aus dem Ausland destabilisieren wollen», sagt Steinlein.
Das bedeutet es für die Menschen im Land: Der Druck auf die Zivilgesellschaft wird durch das Vorgehen des Regimes gegen NGOs immer mehr erhöht. «Die Schere im Kopf wird immer grösser», so Steinlein. Die Menschen würden immer mehr eingeschüchtert und es werde immer deutlicher: «Ein Wandel in Belarus ist nicht gewünscht und kann – so sieht es Lukaschenko – nur von oben kommen, niemals vom Volk.»