Liz Cheney ist alles andere als eine Aufwieglerin. Die Rechtsanwältin beginnt ihre politische Karriere in den Fussstapfen ihres Vaters. 2016 kandidiert sie im US-Staat Wyoming als Kongressabgeordnete. Papa Dick Cheney hilft ihr im Wahlkampf mit gefühlsduseligen Auftritten auf der Familien-Ranch.
Liz Cheney steigt in Washington schnell zur Nummer drei in der republikanischen Fraktion auf. Loyal steht sie hinter Trump – ausser in der Sicherheitspolitik. Da ist sie eine wahre Cheney und wehrt sich gegen den Truppenabzug aus dem Nahen Osten.
Sturm aufs Kapitol als Wendepunkt
Auch als Donald Trump sich weigert, seine Abwahl anzuerkennen, schweigt Cheney. Doch dann mit dem Sturm der Trump-Anhänger auf das Kapitolgebäude am 6. Januar, kommt der Wendepunkt.
Cheney stimmt als eine von bloss zehn Abgeordneten von rund 200 für die Amtsenthebung von Präsident Donald Trump – sie nennt ihn einen Landesverräter. Die US-Demokratie befinde sich in akuter Gefahr. Damit richtet sie sich gegen den Parteitrend, der Trump folgt. Anfang Februar hält Cheney noch einem Misstrauensvotum stand – in einer anonymen Abstimmung stellt sich die überragende Mehrheit der Fraktion auf ihre Seite.
Die «gestohlene Wahl»
Doch der innerparteiliche Konflikt schwelt weiter. Donald Trump hält an der Geschichte fest, die Wahl sei gestohlen worden, und die Partei folgt der Fiktion. Nicht so die Tochter des ehemaligen Vize-Präsidenten – immer lauter ertönt ihr Widerspruch.
Die Wahl sei nicht gestohlen geworden, das hätten Rechtsprozesse gezeigt. Und wer sich gegen die Justiz und den Rechtsstaat richte, befinde sich mit der Verfassung auf Kriegsfuss, so Cheney. Die republikanische Partei müsse hinter der Verfassung stehen und für positive Lösungen kämpfen. Sie dürfe nicht zur Partei des Umsturzes werden, sagt Cheney und schickt offensive Tweets hinterher. Trump vergifte das politische System.
Das ist zu viel für den Chef der Republikaner im Abgeordnetenhaus, Kevin McCarthy. Er habe genug von Cheney, wird er unfreiwillig von einem Mikrofon aufgenommen. Für ihn und die Parteiführung ist klar: Ohne Trump können die Republikaner in den kommenden Kongresswahlen nicht gewinnen und die Mehrheit im Kongress zurückholen.
Die Gegenkandidatin: Elise Stefanik
Eine Sprengkandidatin von Trumps Gnaden ist bereits in Startposition. Die Abgeordnete Elise Stefanik aus Upstate New York tat sich während des jüngsten Amtsenthebungsverfahrens gegen Trump als glühende Trumpistin hervor. Sie vertrete das Kleingewerbe, Bauern und Fabrikarbeiter – eine Wählerschaft, die Donald Trump zum Präsidenten gewählt habe und die man nun halten müsse.
Elise Stefanik heisst die Frau der Stunde, in einer Partei, die sich von ihrem herkömmlichen, staatstragenden Profil verabschiedet hat. Die konservative Establishment-Frau Liz Cheney wettet derweil darauf, dass die Partei sich irgendeinmal auf sich selber zurückbesinnt. Vielleicht nicht kurzfristig, aber in einer ferneren Zukunft, wenn Donald Trump Geschichte ist.