Das Kalifat des IS gibt es nicht mehr. Die Terrormiliz wurde besiegt. Seither sitzen Zehntausende von mutmasslichen Kämpfern in kurdischen Gefängnissen, ihre Angehörigen in Lagern – bei prekären Bedingungen.
Die kurdischen Autonomiebehörden warnen seit Jahren, dass sie die Sicherheit nicht garantieren könnten und fordern die Staaten dazu auf, ihre Landsleute zurücknehmen. Doch die Schweiz will die Kämpfer nicht übernehmen.
Foltervorwürfe
Ein Reporter konnte für die «Rundschau» zwei der drei verbliebenen Schweizer in den Gefängnissen besuchen: die Romands Damian G. und Daniel D. Beide wirken ausgezehrt, klagen über Hunger. Daniel D. beschuldigt ausserdem seine Aufseher der Folter: Stromstösse, Tritte, Schläge mit Kabeln und Gürteln. Sie würden in Autoreifen gesteckt und dann würden sie rumgerollt. Die Vorwürfe liessen sich vom Reporter vor Ort nicht überprüfen, die Gefangenen wiesen keine sichtbaren Folterspuren auf.
Damian G. bezeichnet die Zustände im Gefängnis als Euthanasie. «Sie lassen hier die Leute auf kleiner Flamme sterben. Es ist unmenschlich, so zu sterben.»
Beide stehen im Verdacht, für die Terrormiliz Verbrechen begangen zu haben. Sie sitzen seit vier Jahren ohne Urteil im Gefängnis. Den dritten Schweizer konnte die «Rundschau» nicht treffen. Die Schweiz geht davon aus, dass auch er sich wieder im Gefängnis befindet – nachdem er nach einem Massenausbruch vorübergehend als verschwunden galt.
Schweiz und Kurden dementieren
Der Repräsentant der kurdischen Autonomieverwaltung, Abdulkarim Omar, dementiert: «Es gab nie Folter in unseren Gefängnissen. Natürlich kann man einen Einzelfall nie ganz ausschliessen. Aber wenn wir sowas mitbekommen, würden wir die Verantwortlichen zur Rechenschaft ziehen.»
Aussen- und Justizdepartement sowie Nachrichtendienst erklären: «Der Bund hat keine Kenntnis von Foltervorwürfen.»
Wohin mit den Kindern?
Seit 2018 festgesetzt ist die Lausannerin Selma S. mit ihrer sechsjährigen Tochter. Die beiden leben im Camp Roj. Der Bundesrat wäre bereit, die Tochter zurückzuholen – allerdings ohne die Mutter.
Diese harte Haltung stösst zunehmend auf Unverständnis. Die «Rundschau» sprach mit den Präsidenten der Aussenpolitischen Kommissionen von National- und Ständerat. Der Luzerner Nationalrat Franz Grüter (SVP) sagt: «Also wenn jemand nichts dafür kann für so eine missliche Situation, dann sind das sicher die Kinder.» Mitte-Ständerat Pirmin Bischof sieht es ähnlich: «Die Schweiz müsste wohl das Dossier neu anschauen. Man kann nicht ein Kind allein in die Schweiz zurücknehmen. Das Kind von der Mutter zu trennen, ist keine Lösung.»
Die Linke sieht das schon lange so. Nationalrätin Sibel Arslan: «Ich fordere, dass dieses Kind sofort in die Schweiz gebracht wird, mit der Mutter. Und dass die Mutter, die sich dem IS angeschlossen hat, hier ihre Strafe absitzen muss.»
Die Mutter schildert gegenüber der Rundschau, dass ihre Tochter inzwischen realisiert hat, dass sie eingesperrt lebt. «Ich hasse den IS mehr als alles andere. Sie haben mein Leben zerstört.» Sie sei auf die IS-Propaganda hereingefallen. Das sei dumm und naiv gewesen.