Sergio Mattarella kann sich zurzeit nicht über zu wenig Aufmerksamkeit beklagen. Ganz Italien wartet darauf, ob er nun tatsächlich den bisher unbekannten Rechtsprofessor Giuseppe Conte zum neuen Regierungschef ernennt.
Conte ist der Kompromisskandidat, auf den sich die beiden Wahlsieger, die Fünf Sterne und die Lega, geeinigt haben. Die Fähigkeiten des Nichtpolitikers Conte werden stark angezweifelt. Und in solchen Momenten der Unsicherheit, des Übergangs ist der Einfluss des italienischen Staatspräsidenten fundamental.
Italien war bis 1946 eine Monarchie. Das ehemalige Schloss der italienischen Könige, der Quirinalspalast, ist heute Sitz des italienischen Präsidenten. Und ein kleines Stück dieser monarchischen Tradition ist ins Amt des Staatspräsidenten übergegangen. Denn allein der Präsident ernennt den Premierminister und beauftragt diesen, eine Regierung zu bilden, die dann freilich im Parlament eine Mehrheit braucht.
Mehr als eine Formsache
Luigi Di Maio, Chef der Protestbewegung der Fünf Sterne, und Matteo Salvini, Chef der rechten Lega, aber preschten gestern vor. Sie fordern, dass der Staatspräsident den bisher weitgehend unbekannten Rechtsprofessor Giuseppe Conte zum Premier ernennt. Noch gestern dachten sie, das sei wohl eine reine Formsache.
Doch im Quirinalspalast blieb es demonstrativ ruhig. Und anstatt Conte zu ernennen, hat Staatspräsident Mattarella zunächst nur eines entschieden: zu schweigen und sich Zeit zu nehmen. Er will sich heute zuerst mit den Präsidenten der beiden Parlamentskammern austauschen, um dann, vielleicht auch erst morgen, zu entscheiden.
Die Macht des Staatspräsidenten hat historische Gründe
Die Gründungsväter der italienischen Republik, die 1946 die Verfassung schrieben, haben dem Staatspräsidenten diese Macht ganz bewusst zugewiesen. Sie wollten ein Gegengewicht zum Premierminister und zu den Parteien schaffen. Nach dem Ende des italienischen Faschismus sollte so eine Machtkonzentration in nur wenigen Händen verhindert werden.
Auch Berlusconi bekam die Macht zu spüren
Und so ist der Staatspräsident ein Garant für Stabilität, zuweilen auch ein hartnäckiger Gegenspieler. So war es etwa Mattarellas Amtsvorgänger Giorgio Napolitano, der 2011 massgeblich zum Sturz Silvio Berlusconis beitrug. Als Italien damals auf einen Staatsbanktrott zusteuerte, wollte Napolitano einen Wirtschaftsprofessor als Premier und setzte schliesslich Mario Monti durch.
Auch bei den Ministern läuft wenig ohne den Staatspräsidenten: Ex-Präsident Oscar Luigi Scalfaro zum Beispiel weigerte sich, einen von Berlusconi vorgeschlagenen Justizminister zu ernennen.
Mattarella spricht Klartext
Die Amtszeit von Präsident Mattarella war bisher geprägt von Diskretion und Zurückhaltung. Diese hat er nun aber abgelegt. Schon vor Tagen rief er Salvini und Di Maio in Erinnerung, dass der Staatspräsident weit mehr sei als ein Notar, der nur Beschlossenes beurkunde.