Wie Russland jüngst seine Truppen rund um die Ukraine zusammengezogen hat, konnten wir in den vergangenen Tagen fast in Echtzeit verfolgen. Vor allem dank Satellitenbildern.
Eine solche Transparenz über Kriegsvorbereitungen für eine breite Öffentlichkeit ist neu und hat auch mit der Kommerzialisierung des Weltalls zu tun: Immer mehr private Satellitenbetreiber bieten Bildmaterial an.
In Reih und Glied stehen die russischen Militärlastwagen in einem neu errichteten Lager. Zu sehen ist das auf aktuellen Satellitenbildern, aufgenommen über Russland, nahe der ukrainischen Grenze. Wer wollte, konnte sich praktisch in Echtzeit ein Bild des russischen Truppenaufmarschs machen.
Einblicke, die man früher nicht hatte
Das ist auch für Michael Haas aussergewöhnlich. Er hat bis Ende Jahr an der ETH Zürich geforscht. Heute nun ist er als unabhängiger Sicherheitsexperte tätig und auf die Auswertung von Satellitenaufnahmen spezialisiert: «Dass die Transparenz zugenommen hat, stimmt vor allem in Kombination mit dem Material, das auf Social Media gepostet wird. Satellitenbilder bieten heute Einblicke ins Geschehen, die man früher nicht hatte.»
Gleichzeitig gibt Haas zu bedenken, dass Russland gar nicht gross versucht habe, den Truppenaufmarsch zu verheimlichen und sich bewusst war, dass die Öffentlichkeit aus dem All zuschaut: «Auf Tarnung und Täuschung hat man verzichtet. Das Material wurde an offensichtlichen Orten platziert. Auch auf andere Sicherheitsmassnahmen hat man weitgehend verzichtet.»
Dass der Truppenaufmarsch einfach mitverfolgt werden konnte, hat aber auch viel mit der Entwicklung im Weltall zu tun. Während Jahrzehnten waren Satelliten extrem teuer – ein Grund, weshalb sich nur grosse Nationen Spionagesysteme leisten konnten.
Da hat sich aber grundlegend verändert: Zum einen ist der Transport von Satelliten mit Raketen viel günstiger geworden, vor allem wegen SpaceX. Die Raketenfirma gehört Tesla-Besitzer Elon Musk.
Die Bilder werden immer verlässlicher und glaubwürdiger, je mehr wir einen Quervergleich zwischen mehreren Anbietern haben.
Zum anderen, weil die Kosten für die Satelliten deutlich gesunken sind. Heute kosten sie nicht mehr Milliarden, sondern Millionen. Für die Glaubwürdigkeit von Satellitenbildern sei diese Entwicklung positiv, sagt Sicherheitsexperten Haas.
Manipulation ist kein Thema
«Die Bilder werden immer verlässlicher und glaubwürdiger, je mehr wir einen Quervergleich zwischen mehreren Anbietern haben. Wenn weitere Anbieter dazukommen, hat sich die Problematik der Manipulation endgültig erledigt. Ich erachte sie schon heute nicht als relevant.»
Heute sind private Anbieter nicht mehr wegzudenken. Auch die Schweizer Armee bezieht ihre Satellitenbilder von solchen Unternehmen. Denn auch für die Schweiz sind Bilder aus dem All wichtige Quellen, wie das Verteidigungsdepartement auf Anfrage von Radio SRF schreibt: «Insbesondere bezüglich der Truppenstationierung der russischen Streitkräfte liefern sie wertvolle Hinweise.»
Noch ist die Schweiz auf private Anbieter angewiesen, aber das ändert sich. Die Schweiz beteiligt sich ab diesem Jahr an einem französischen Spionage-Satellitensystem und wird fortan auch von dort Bilder beziehen.
Trotzdem blieben private Satellitenbilder für Regierungen wichtig, erklärt Haas – und nimmt als Beispiel die USA: «Für die US-Regierung hat es Vorteile, wenn sie – anstatt geheimer Quelle preisgeben zu müssen oder auf ihre eigenen Satellitenbilder hinweisen zu müssen – auf diese kommerziellen Bilder hinweisen kann. Die Satellitenbilder der US-Regierung haben noch eine grössere Auflösung.»