Noch keine 40 Jahre alt – Emmanuel Macron ist der jüngste Präsident der neueren französischen Geschichte. Vor einem Jahr hätte kaum jemand auf ihn gewettet.
Macron hat von der Schwäche der traditionellen Parteien profitiert, die Frankreich in den letzten 60 Jahren dominierten. Die Linke ist nach fünf Jahren unter dem glücklosen Präsidenten François Hollande ausgelaugt und gespalten. Die Rechte wird angeführt von einem Kandidaten, der mit seinen Finanzaffären ein klassischer Vertreter des politischen Milieus ist.
Jeder Zehnte warf leer ein
Das Wahlresultat zeigt auch: Der Unmut über die Politikerinnen und Politiker ist in Frankreich gross. Die Stimmbeteiligung ist mit 75 Prozent so tief wie in keiner Stichwahl seit 38 Jahren. Über 11 Prozent leere und ungültige Stimmzettel illustrieren, dass sich viele Wählerinnen und Wähler mit der Auswahl schwer taten.
Dabei war der Kontrast zwischen den beiden Kandidaten so scharf wie selten: Da die Nationalistin Marine Le Pen, die polarisiert, dort der überzeugte Europäer Emmanuel Macron, der mit seiner Bewegung «En Marche!» politisch neue Wege zwischen Links und Rechts suchen will. So gesehen könnte man das Wahlresultat auch als französisches Votum für die Europäische Union lesen. Deutlicher als das knappe Ja Frankreichs zum Vertrag von Maastricht vor 25 Jahren.
Le Pens Kampfansage
Das Glanzresultat in der Stichwahl verdankt Emmanuel Macron auch seiner Gegnerin Marine Le Pen. Der Front National ist in Frankreich weiterhin nicht mehrheitsfähig. Aber er rückt vor: Im Vergleich zu Vater Jean-Marie Le Pen vor 15 Jahren hat Tochter Marine doppelt so viele Stimmen gewonnen. Und sie greift weiter an, will im neuen Parlament Oppositionsführerin werden. Das ist zuerst eine Kampfansage an die traditionelle Rechtspartei, die Republikaner.
Denn am 18. Juni wählt Frankreich das neue Parlament. Und dort ist alles offen. Emmanuel Macron ist für einen Wandel angetreten. Wenn er mit seiner Bewegung «En Marche!» im neuen Parlament eine Mehrheit finden will, bleiben ihm knapp sechs Wochen. Dies wird ihm kaum gelingen, und der neue Präsident wird beweisen müssen, dass er tatsächlich das Talent zum Brückenbauer zwischen Links und Rechts hat.