Was ist das Problem? Zuerst wird der Präsident ermordet, dann folgt ein Erdbeben, und später auch noch ein Tropensturm – allein in den letzten zwei Monaten hatten die Haitianerinnen und Haitianer mehrmals Katastrophen und Rückschläge zu erdulden. Und wie so oft ist der Karibikstaat auch diesmal auf Hilfe aus dem Ausland angewiesen.
Wie wird dem Land geholfen? «Die aktuelle Nothilfe ist relativ schnell angelaufen», sagt Sandra Weiss, Journalistin mit Sitz in Mexiko. Sie kennt Haiti von mehreren Reisen und ist in regelmässigem Austausch mit Menschen vor Ort. Zahlreiche NGOs und Staaten hätten schon Güter ins Land transportiert. «Allerdings erweist sich die Verteilung als schwierig.»
Das Krisengebiet ist sehr bergig. Viele Pisten seien durch Erdrutsche unpassierbar geworden, und die einzige Verbindungsstrasse von der Hauptstadt Port-au-Prince sei unter Kontrolle krimineller Banden. Das Ausfahren von Lastwagen sei deshalb ein Problem. «Nun wird das Meiste mit kleinen Flugzeugen oder Helikoptern in die Krisenregion geschafft.»
Was hat sich verbessert? Im Vorteil seien diesmal NGOs, die über eigene Depots und lokale Teams vor Ort verfügen, erklärt die Journalistin. «Ich habe mit einer lokalen NGO gesprochen, die nach der Erfahrung mit Hurrikan Matthew 2016 ein Warendepot aufgebaut hat für solche Katastrophenfälle.» Dies habe sich sehr bewährt: «Denn sie hatten diesmal Zugriff auf die Güter und konnten sofort loslegen mit der Versorgung der Verletzten und der notleidenden Menschen.»
Was müsste man ändern? Hilfe kommt vor allem von NGOs und Hilfsorganisationen. Der haitianische Staat hat die internationale Gemeinschaft aber auch um Geld gebeten, um Hilfsgüter vor Ort kaufen zu können, die Hilfe also selbstständig zu organisieren. «Der Interimspräsident schlug vor, dass alles über ein staatliches Komitee läuft.» Das sei eine Lehre aus Krisen der Vergangenheit. Nach dem Erdbeben von 2010 sei Haiti von Hilfsorganisationen überrollt worden.
Vieles lief völlig unkoordiniert und war oft auch nicht sehr sinnvoll.
Zum Beispiel seien Nahrungsmittel und Wasser eingeflogen worden, obwohl es schlauer gewesen wäre, diese vor Ort zu kaufen, um die einheimische Wirtschaft nach so einer Katastrophe wieder in Gang zu bringen.
Wie geht es weiter? Den Vorschlag der Interimsregierung hält Sandra Weiss für durchaus sinnvoll. Doch ob Haiti angesichts der derzeitigen Regierungskrise dazu in der Lage ist, Hilfsaktionen selber zu koordinieren, ist fraglich, meint Weiss. «Das Problem ist: Der Präsident ist im Juli ermordet worden. Es gibt kein funktionierendes Parlament, keine funktionierenden Institutionen, und deswegen steht auch dieses Krisenkomitee, das die Regierung schaffen will, noch gar nicht.»