Der chinesische Staatspräsident Xi Jinping ist persönlich ins Perlflussdelta gereist. Die Eröffnung der längsten Meeresüberquerung der Welt hat er zur Chefsache erklärt. Das Monumentalbauwerk soll ein Symbol sein für ein vereintes China.
Ein China, in dem die Casino-Metropole Macau und das Finanzzentrum Hongkong fest an die Schaltzentrale des Machtkolosses in Peking angebunden sind. So sehen das in Hongkong vor allem die Leute, die hinter der Brücke vor allem eine Machtdemonstration Festlandchinas wittern.
Hongkong braucht die Brücke nicht
Claudia Mo zum Beispiel, die umtriebige Politikerin der Pandemokratischen Partei, kämpft seit Jahren an vorderster Front gegen die zunehmende Einflussnahme Pekings auf Hongkong. «Hongkong braucht diese Brücke nun wirklich nicht. Hongkong ist schon genug gut angebunden ans Hinterland, über das Wasser, die Luft und das Land», sagt sie.
Ins gleiche Horn stösst auch Alvin Yeung, der Anführer der Civic Party. Auch er engagiert sich in Hongkong für mehr Unabhängigkeit von Festlandchina. «Klar sind wir sehr eng mit Festlandchina verknüpft, da führt auch kein Weg dran vorbei. Es geht hier aber nicht um Infrastruktur, sondern um reine Symbolik. Es geht um die Wiedereinbindung der ehemaligen britischen Kolonie in China.»
Wirtschaftlich wenig sinnvoll
Auf über 20 Milliarden Franken werden die Kosten des ganzen Bauwerks geschätzt. Öffentlich einsehbar ist dabei nur der Anteil der Hongkonger Seite. Die hohen Investitionskosten seien wirtschaftlich wenig sinnvoll, sagt Andrew Kinloch.
Er ist spezialisiert auf Infrastrukturfinanzierung beim Bauunternehmen Logie Group und kritisiert den Nutzen der Brücke: «Es gibt keinen Schienenverkehr auf der Brücke, nur Strassenverkehr. Fracht, die es nicht eilig hat, wird bereits jetzt auf dem Wasserweg transportiert.»
Auch für den Passagierverkehr würde die Brücke kaum Vorteile bieten, denn das ausgeklügelte System von Schnellfähren zwischen Hongkong und Macau sei heute schon effizienter als es die Brücke je sein wird, sagt er.
Chinas neuer Stolz
Von chinesischer Seite tönt es anders. Chinas Staatsmedien loben den Bau als ein Jahrhundertbauwerk. Es sei ein wichtiger Pfeiler für die Zukunft des Perlflussdeltas. Die Brücke würde die Wirtschaftszentren um Shenzhen, Guangdong und Zhuhai besser mit Hongkong und Macau verknüpfen.
Die kommunistische Regierung in Peking spricht dabei von der neuen «Greater Bay Area» und hat dabei die gleichnamige Wirtschaftsregion in San Francisco vor Augen. 11 Städte sollen künftig dieser «Greater Bay Area» angehören, die neue Brücke ist dabei der neue Stolz Chinas und soll als Rückgrat des Projektes dienen.
Anbindung ans Mutterland
Auch die Politikerin Claudia Mo sieht die wirtschaftlichen Vorteile einer Grossregion. Ihre Skepsis gilt aber vor allem dem zunehmenden politischen Einfluss Pekings auf Hongkong: «An der Greater Bay Area ist nichts falsch. Sie verwaschen damit aber immer mehr die Regel von <Ein Land, zwei Systeme>».
Claudia Mo verweist damit auf die Regel, wonach Hongkong zwar offiziell Teil Chinas ist, sich aber selber verwalten darf. Für China, so sagt sie, sei die Brücke viel wichtiger als für Hongkong selber. «Aus chinesischer Sicht ist die Brücke eine Nabelschnur. China erinnert uns daran: Ich bin das Mutterland und ihr seid das abhängige Kind.»