Given Sigauqwe ist der Sprecher der Organisation Sonke, die geschlechtsspezifische Gewalt bekämpft. Er sagt, als Mann habe er nicht länger zuschauen können, er habe etwas machen müssen.
«Wir alle haben eine Mutter, eine Schwester, eine Freundin. Wir wissen nie, ob sie lebend nach Hause kommen. Das ist meine Angst. Die Angst der Frauen ist damit verglichen viel grösser.»
Männer würden ihm als Mann eher zuhören, sagt Given Sigauqwe. «Doch die meisten südafrikanischen Männer sind immer noch tief in ihren jeweiligen Kulturen verwurzelt. Kulturen, in denen eine Frau kniet, wenn sie ihrem Mann das Essen bringt. Kulturen, wo Frauen quasi den Männern gehören.
«Hinterfragen wir das, hinterfragen wir die Identität», erklärt er. Es sei ein schwieriger Kampf, viele Männer wollten nicht zuhören und zeigten wenig Einsicht. «Sie schieben die Schuld stets auf die Frauen. Was haben sie getragen, was haben sie gemacht und so weiter.»
Man vermeidet Konflikte aus Angst
Das bestätigt Boipelo Mokoena, deren Schwester, Karabo Mokoena, vor drei Jahren von ihrem eigenen Freund brutal ermordet worden ist. «Männer nehmen automatisch an, dass es die Schuld meiner Schwester war. Doch was hätte sie tun können, um mit dem Tod zu büssen?», fragt sie.
Der Mord an Karabo hat sie für immer verändert. Sie sei vorsichtig geworden in ihren eigenen Beziehungen, vermeide Konflikte. Denn man wisse nie, wie diese enden würden.
Die Ermordung Karabos hat vor drei Jahren landesweite Protesten ausgelöst, doch bewirkt haben diese wenig. Vor einem Jahr rollte wieder eine Frauendemonstrationswelle durch die Städte und die Regierung versprach, einen Aktionsplan aufzustellen.
Seit der Lockerung des harten Lockdowns wegen Covid-19 haben die Morde an Frauen erneut zugenommen. «Die Morde werden immer brutaler,» beobachtet Given Sigauqwe, «es scheint eine Art Wettbewerb zu sein, gerade kürzlich wurde eine schwangere Frau in einem öffentlichen Park erhängt.»
Wer mit Menschen auf den Strassen spricht, hört immer das Gleiche: Alle Frauen, egal welchen Alters, haben Angst. Nicht unbedingt vor dem fremden Mann, der in einer düsteren Allee lauert, sondern vor dem eigenen Mann oder Freund. «Ich kann ja gar nicht mehr mit einem Mann ausgehen, es ist wirklich riskant geworden», sagt eine Studentin.
Nicht nur die Regierung muss handeln
Die landesweite Angst von Südafrikas Frauen wird wenigstens von der Regierung endlich ernst genommen. Präsident Cyril Ramaphosa nannte in einer seiner Covid-19-Ansprachen an die Nation den Femizid «die Schande Südafrikas». Der vor einem Jahr versprochene Aktionsplan wurde ausgearbeitet, bewilligt und soll nun ausgerollt werden.
Organisationen wie Sonke begrüssen den Aktionsplan und werden dabei eine wesentliche Rolle spielen. «Gesetzliche Massnahmen sind wichtig, ja, doch noch zentraler finde ich, dass wir als Gesellschaft die Verantwortung nicht nur der Regierung zuschieben, sondern bei uns selbst anfangen», betont Given Sigauqwe von Sonke.
Das Patriarchat ist in Südafrika tief verankert, doch das schreckt mich nicht ab.
Nebst dem Ausbau von Zentren für Opfer von Gewalt setzt der Aktionsplan genau da an: Aufklärung wird eine zentrale Rolle spielen. «Vor uns liegt ein langer Weg», betont Sigauqwe. «Das Patriarchat ist in Südafrika tief verankert, doch das schreckt mich nicht ab. Es darf doch nicht sein, dass die Frauen dieses Landes um ihr Leben fürchten müssen.»