Auch zum Wochenbeginn reisst der Flüchtlingsstrom an Europas Südgrenzen nicht ab. Tausende Flüchtlinge sind nach wie vor auf der «Balkan-Route» nach Mittel- und Nordeuropa unterwegs. Nach Schätzungen des UNO-Flüchtlingshilfswerks (UNHCR) hatten am Wochenende mehr als 7000 Menschen Serbien erreicht, wo sie versuchten, mit Bussen und Zügen weiter nach Ungarn zu fahren.
Grösster Flüchtlingsstrom im Balkan
Entsprechend gedrängt blieb die Situation auch am serbisch-mazedonischen Grenzübergang Miratovac. Hunderte von Flüchtlingen waren unterwegs, die zu Fuss in die serbische Stadt Presevo zogen, wo sie medizinisch versorgt und mit Papieren für die Weiterreise ausgestattet wurden.
Männer trugen Kinder auf den Schultern, die meisten Menschen hatten nur Rucksäcke dabei. Der Flüchtlingstreck auf dem Balkan ist der grösste seit dem Zusammenbruch Jugoslawiens in den 90er-Jahren.
Allerdings habe sich die Lage in Miratovac bedeutend entschärft, berichtet SRF-Sonderkorrespondent Stephan Rathgeb. Noch am Wochenende waren an gleicher Stelle menschen-unwürdige Szenen zu beobachten. «Heute konnten etwa 600 Flüchtlinge jeweils in Gruppen an 50 Leuten überqueren.»
Der österreichische Aussenminister Sebastian Kurz war heute vor Ort und hat Kooperationen angeboten. Mazedonien wünsche sich aber eine endgültige Lösung – auch wenn das Land nicht EU-Mitglied ist, so Rathgeb. Mazedonien habe die Lage in den letzten Tagen auch darum eskalieren lassen, weil es gegenüber Brüssel ein Zeichen setzen wollte.
Mazedonien hat als kleines Land den Finger auf einen wunden Punkt der EU-Flüchtlingspolitik gelegt.
Hier gebe es kein Verständnis, warum ein so kleines Land täglich tausende Menschen durchschleusen soll. Es könne nicht sein, dass mit Griechenland ein EU-Staat das kleine Mazedonien benutze, die Flüchtlinge in anderen EU-Ländern unterzubringen – so die Sicht Mazedoniens laut Rathgeb. «Damit hat ein kleines Land natürlich auch den Finger auf einen wunden Punkt der EU-Flüchtlingspolitik gelegt.»
Die einen schieben ab, die anderen bauen Zäune
An der Grenze des EU-Mitgliedlandes Ungarn könnte sich die Lage zuspitzen. Dort arbeiten die Behörden an der Fertigstellung eines Stacheldrahtzauns zu Serbien von 175 Kilometer Länge. «Die Westbalkan-Länder werden überrannt und sich selbst überlassen», kritisierte der österreichische Aussenminister Sebastian Kurz im Gespräch mit der österreichischen Nachrichtenagentur APA: «Wir müssen ihnen helfen.»
Allein im Juli waren etwa 50'000 Flüchtlinge aus der Türkei per Boot nach Griechenland gelangt. In den vergangenen zwei Wochen schafften es 23'000 bis nach Serbien.
Die Behörden sind mit dem Ansturm völlig überfordert. Das UNHCR fordert nun Mazedonien und Griechenland auf, mehr zur Bewältigung der Krise an der gemeinsamen Grenze zu tun.
Die UNO-Organisation rät der Regierung in Athen, ein Sondergremium zu schaffen, das alle Aktivitäten zur Aufnahme und Unterstützung der Flüchtlinge koordiniert. «Europäische Staaten sollten Griechenland dabei unterstützen», fordert das UNHCR. Derweil gibt der serbische Präsident den Ball an die europäischen Partner zurück.
Keine wirkliche Solidarität
Regierungschef Aleksandar Vucic kritisiert die EU und fordert mehr Unterstützung für Serbien als Transitland. Gleichzeitig will die serbische Regierung unbedingt vermeiden, dass die Menschen in grösseren Unterkünften in Serbien bleiben und lässt die Menschen mehr oder weniger unbehelligt durchziehen.
Aufnahmezentren ausserhalb der EU lehnen die serbische Regierung sowie viele Bürgermeister strikt ab. Dessen ungeachtet nimmt die Tragödie auch an den Schauplätzen im Mittelmeerraum ungebremst ihren Lauf.
Auf dem Mittelmeer geht das Sterben weiter
Allein an diesem Wochenende sind im Mittelmeerraum erneut Dutzende Flüchtlinge ums Leben kommen. Die italienische Küstenwache erhöhte am Sonntag die Zahl der Toten, die am Vortag auf einem überfüllten Fischerboot geborgen wurden, auf 49.
Die Menschen erstickten vermutlich unter Deck, als Wasser in den Laderaum eindrang und giftige Dämpfe aufstiegen.