Worum geht es? Australische Soldaten haben einem Untersuchungsbericht zufolge bei ihrem Einsatz in Afghanistan Kriegsverbrechen begangen. 25 Mitglieder einer Sondereinheit hätten mindestens 39 Zivilisten und Gefangene, unter ihnen Jugendliche, «unrechtmässig» getötet. Vorgesetzte sollen zum Teil davon gewusst haben. Das sagte der Chef der Streitkräfte, Angus Campbell, in Canberra bei der Veröffentlichung eines Berichts zum Verhalten australischer Soldaten im Afghanistankrieg.
Was sind die Vorwürfe? Die Details sind geheim. Laut Medienberichten wurden aber Zivilisten, die sich ergeben hatten und nachweislich nichts mit der Taliban zu tun hatten, zu Opfern. Eine gängige Praxis war offenbar auch, dass Gruppenführer und Kameraden neue Soldaten in den Eliteteams dazu anstifteten, einen Gefangenen als Einführung in die Truppe zu töten.
Es seien Beweise gefunden worden, die zeigten, dass Soldaten versucht hätten, die Verbrechen zu vertuschen. Sie hätten Waffen, Funkgeräte und Granaten neben den Leichen afghanischer Zivilisten platziert, um es so aussehen zu lassen, als seien sie «im Kampf getötete Feinde». Das sei ein klares Beispiel für die «egozentrische Kriegerkultur» in der Armee, sagte Campbell. Stimmen diese Vorwürfe, so wären das Kriegsverbrechen.
Wie reagiert die Öffentlichkeit? Der Premierminister Australiens, Scott Morrison, hatte seine Landsleute schon letzte Woche darauf vorbereitet, was in dem Bericht stehen würde. Er sagte, es würden schwierige und brutale Wahrheiten ans Licht kommen. Durch diese frühzeitige Warnung ist der Schock nun nicht so gross, wie es sonst vielleicht der Fall gewesen wäre.
Generell wird der Bericht von Fachleuten, von Juristen, aber auch von Armeeangehörigen begrüsst. Auch Armeechef Campbell zeigte sich froh über diese Untersuchung. Er sei zufrieden damit, auch wenn er erschüttert sei über die Details in jenem Teil, der der Öffentlichkeit nicht zugänglich ist.
Weshalb erscheint der Bericht jetzt? «Ganz einfach: Öffentlicher Druck», sagt Australien-Korrespondent Urs Wälterlin. Berichte über Verfehlungen wurden immer häufiger. Es gab Whistleblower, die erzählten, wie einige Elitetruppen grausam mit Gefangenen umgegangen seien. Eine wichtige Rolle spielten dabei offenbar die Helmkameras der Soldaten. Diese Filme zeigten Furchtbares: «Ich erinnere mich an eine Szene, in der ein Soldat einen in ein Feld geflüchteten Jugendlichen ausserhalb eines Dorfes kaltblütig erschoss, obwohl dieser sich ergeben und um sein Leben gebettelt hatte.»
Wie geht es weiter? Die Angelegenheit wurde zur strafrechtlichen Untersuchung an die Bundespolizei überwiesen. Den insgesamt 19 Männern drohen im Fall einer Verurteilung lebenslange Haft wegen Mordes oder 25 Jahre Gefängnis wegen sogenannter grausamer Behandlung von Gefangenen und Zivilisten. Zudem sollen die Opfer und ihre Familien entschädigt werden.
Campbell entschuldigte sich beim afghanischen Volk «für jegliches Fehlverhalten australischer Soldaten». Der Chef der Verteidigungsstreitkräfte sagte, er werde «so schnell wie möglich mit der afghanischen Regierung zusammenarbeiten», um einen Plan für Entschädigungen zu entwickeln.