Auf dem Heldenplatz in Budapest fand am Freitagabend die grösste Demonstration in Ungarn seit Jahren statt. «Die ungarische Regierung hat versagt. Und wer in diesem Skandal die Verantwortung trägt, wird nicht unabhängig untersucht», erklärt Politologin und Influencerin Edina Pottyondy vor dem Mikrofon.
In einem Kinderheim in Bicske missbrauchte der Direktor über Jahre hinweg Kinder. Sein Stellvertreter deckte den Täter; dafür wurde er rechtskräftig verurteilt. Kurz vor dem Papstbesuch im letzten Jahr begnadigte Staatspräsidentin Katalin Novak aber den verurteilten Mann im Geheimen. Letzte Woche wurde die Sache publik, sie musste zurücktreten.
Auch die damalige Justizministerin Judit Varga musste abdanken. Sie hätte die Regierungspartei in den Europawahlen im Juni anführen sollen.
Ihr Ex-Mann Péter Magyar, bis vor kurzem ein Mitglied des inneren Machtzirkels, kritisiert nun die Regierung scharf. «Wenn wir nicht wollen, dass unsere Kinder in einer staatlichen Familien-Aktiengesellschaft aufwachsen, wie es Ungarn derzeit ist, dann lohnt es sich, jetzt etwas zu ändern.»
Ungarische Zivilgesellschaft existiert
Am Freitag trat auch der Bischof und Ex-Minister Zoltan Balog zurück. Er gilt als Drahtzieher hinter der Begnadigung. Doch den Demonstrierenden in Budapest reicht das alles nicht. Viele sind wütend. «Diese Regierung muss weg. Das Lied ist zu Ende. Wir brauchen eine neue Regierung», erklärt eine Demonstrantin.
Regierungschef Viktor Orbán liess am Freitag ein Video auf Instagram stellen. Seine Nachricht ans Volk: «Die Regierung arbeitet.» Der Skandal zeigt: Viktor Orbán sitzt fest im Sattel in Ungarn. Aber eine kritische Zivilgesellschaft existiert noch.