Bis um 16 Uhr (MEZ) haben die Kurdenkämpfer Zeit für den Abzug aus den nordsyrischen Grenzgebieten. Falls die YPG dem nicht nachkommt, wolle die Türkei ihre Offensive gegen sie wiederaufnehmen, erklärte der türkische Aussenminister Mevlüt Cavusoglu.
Was dann? SRF News klärt die wichtigsten Fragen dazu.
Kommt es zur Eskalation in der Region? Davon ist nicht auszugehen. Der diplomatische Korrespondent von SRF, Fredy Gsteiger, geht davon aus, dass die Türkei den Ball eher flach halten wird, sofern sich die Kurden wirklich weitgehend aus der Zone zurückziehen. Der türkische Verteidigungsminister Hulusi Akar hatte am Wochenende zudem gesagt, bisher laufe der Abzug trotz einzelner Gefechte «nach Plan».
Laut Gsteiger ist die Haltung Russlands entscheidend: Gegen Russlands erklärten Willen dürfte die Türkei eine Fortführung des Krieges nicht wagen. Und die syrische Armee wird erst recht nur mit russischer Erlaubnis vorgehen. Moskau wiederum will die Lage stabilisieren.
Falls die Türkei die Drohung doch wahrmachen sollte: Werden syrische Truppen die türkischen Streitkräfte angreifen? Das ist unwahrscheinlich. Das Abkommen zur Waffenruhe hat Russland als Schutzmacht Syriens mit der Türkei abgeschlossen. Russland hat die Kurdenmiliz YPG dabei gewarnt, dass russische und syrischen Truppen, die in der Region stationiert wurden, um den Abzug zu kontrollieren, ihnen dann keinen Schutz mehr böten.
In der Zwischenzeit sollen allerdings syrische Regierungstruppen in die Region um Ras al-Ain vorgerückt sein, welche die Türkei bei der Militäroffensive gegen die Kurden erobert hatte. Berichten zufolge seien schon seit Jahren nicht mehr so viele syrische Regierungstruppen in der Region gewesen.
Die Türkei ist Nato-Mitglied – müssten die Nato-Partner eingreifen, wenn Syrische Truppen die Türkei angegriffen würden? Eher nicht. Allerdings ist die Frage umstritten. Der luxemburgische Aussenminister hatte während der türkischen Offensive vor einem sogenannten Bündnisfall gewarnt, dass also die Nato-Partner der Türkei bei einem Angriff zur Seite stehen müssten. Doch ein Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes des deutschen Bundestags sieht das anders.
Mehr Informationen zum Bündnisfall
Ein Bündnisfall müsste von allen 29 Mitgliedsstaaten beschlossen werden, und auch dann könne jeder Nato-Partner frei darüber entscheiden, ob er der Türkei beistehen würde oder nicht. Jedenfalls hätte die Berufung auf die Beistandspflicht einen schweren Stand, weil die Türkei einen allfälligen Angriff syrischer Truppen mit seinem eigenen militärischen Vorgehen in Syrien provoziert hätte.
Was müsste passieren, damit die Nato-Partner eingreifen? Artikel 5 des Nato-Vertrags spricht laut dem Gutachten des deutschen Bundestags explitzit von einem «Angriff» auf einen Nato-Partner. Aus syrischer Sicht wäre die Gegenwehr jedoch eine völkerrechtskonforme Verteidigungshandlung gegen eine völkerrechtswidrige Aggression der Türkei. Syrien dürfte laut dem Gutachten sogar die türkischen Truppen bis auf türkisches Gebiet zurückdrängen, ohne dass dies als Angriff gilt.
Dazu kommt: Bisher wurde der Bündnisfall erst einmal erklärt, nach den Anschlägen vom 11. September 2001. Damals hatte der Nato-Rat einen Angriff auf die Vereinigten Staaten festgestellt. Nato-Truppen hatten daraufhin die Taliban in Afghanistan angegriffen.