Laut US-Energieministerin Jennifer Granholm ist bei der Kernfusionsforschung in Kalifornien ein historischer Durchbruch gelungen: Erstmals sei es gelungen, im Experiment mehr Energie aus der Kernfusion zu holen, als zuvor hineingesteckt wurde. Es werde allerdings noch lange dauern, bis ein Fusionskraftwerk Energie liefere, sagt SRF-Wissenschaftsredaktor Daniel Theis.
SRF News: Was ist neu beim offenbar erfolgreichen Experiment in den USA?
Daniel Theis: Es ist vor allem ein Meilenstein für die Forschung – denn erstmals ist es gelungen, bei einer Fusionsreaktion lokal mehr Energie herauszuholen, als man hineingesteckt hat. Das gilt aber leider nicht für die Versuchsanlage als Ganzes, sondern nur für den kleinen Ort im Fusionsapparat, wo man mit sehr starken Lasern auf ein kleines Kügelchen mit gefrorenen Wasserstoffisotopen gezielt hat. Diese haben sich schlagartig so stark erhitzt, dass sie zu Helium fusionierten.
Insgesamt muss man immer noch ein X-Faches an Energie hineinstecken, als man rausbekommt.
Wenn man nun ausrechnet, wie viel Laserenergie auf das Kügelchen getroffen ist und schaut, wie viel Energie die Fusion dann freigesetzt hat, dann hat man mehr herausbekommen, als man reingesteckt hat. Was allerdings dabei nicht eingerechnet ist, ist das ganze Drumherum: der Betrieb der Laser, der ganze Apparat als solcher. Insgesamt muss man in den Fusionsreaktor also immer noch ein X-Faches an Energie hineinstecken, als man rausbekommt.
Die entscheidende Frage, gerade jetzt in der Energiekrise ist: Wird es bald möglich sein, mittels Kernfusion Strom zu erzeugen?
Beim Experiment in den USA sind umgerechnet 0.7 Kilowattstunden Energie rausgekommen. Das reicht höchstens, um eine halbe Stunde lang die Wohnung zu staubsaugen. Die Forscherinnen und Forscher betonen denn auch, dass man von einem funktionierenden Fusionsreaktor, der Strom für die Steckdose liefert, noch sehr weit entfernt sei.
Man ist noch sehr weit von einem funktionierenden Fusionsreaktor entfernt, der Strom für die Steckdose liefert.
In diesem Licht könnte man die grossen Worte vom «Durchbruch» und «Meilenstein» durchaus auch etwas kritisch betrachten. Denn dabei geht es natürlich auch darum, wer die Forschungsgelder bekommt, um am Hoffnungsträger Kernfusion forschen zu dürfen.
Bei der Kernspaltung in einem AKW sprechen wir immer über die Radioaktivität, die freigesetzt wird und die Welt verstrahlen kann. Wie ist es bei der Kernfusion?
Zwar ist das Ganze grundsätzlich etwas anderes gelagert, doch auch bei der Kernfusion entsteht Radioaktivität. Mit der Wasserstofftechnologie, die im Moment vor allem verwendet wird, werden viele Neutronen freigesetzt, die ins Material der Wände des Reaktors eindringen. Dort sorgen sie dafür, dass gewisse Elemente in der Wand dann radioaktiv werden.
Auch ein Fusionsreaktor erzeugt radioaktiven Abfall – aber es ist noch unklar, wie viel.
Das Ziel ist, dafür möglichst solche Materialien zu verwenden, die nur kurzlebig radioaktiv sind, allenfalls ein paar hundert Jahre. Mit der jetzt bekannten Technologie erzeugt also auch ein Fusionsreaktor radioaktiven Abfall, allerdings ist noch unklar, wie viel. Sicher aber wird der strahlende Abfall deutlich kurzlebiger sein als jener Abfall eines heutigen Kernkraftwerks, wo gewisse Elemente hunderttausende von Jahren strahlen können.
Das Gespräch führte Roger Brändlin.