Warum ist das Problem in Grossbritannien so akut? Laut dem britischen Energieministerium gibt es drei Gründe, weshalb sich die Energieversorgungs-Engpässe in Grossbritannien zuspitzen: Reparatur- und Revisionsarbeiten auf britischen Ölplattformen in der Nordsee, schwache Winde, sodass die Offshore-Turbinen wenig Strom geliefert haben, und ein kürzlicher Brand an einer wichtigen Gaspipeline. Die Summe dieser Ursachen führt seit Januar zu einem massiven Anstieg der Gaspreise.
Wieso ist die Lebensmittelindustrie von dem Problem betroffen? Gas wird als Energie auch bei der Produktion von Dünger für die Landwirtschaft verwendet. Im Wesentlichen in zwei Fabriken entsteht bei der Herstellung von Dünger beziehungsweise der Synthese von Ammoniak auch CO2 - Kohlendioxid. Dieses Nebenprodukt wird in Schlachthöfen zur Betäubung von Tieren, zur Konservierung von Gemüse und Früchten und zur Herstellung von kohlensäurehaltigen Getränken benutzt. Aufgrund der hohen Energiepreise haben die beiden Fabriken ihren Betrieb vorübergehend eingestellt. Die Lebensmittelindustrie leidet daher unter einem akuten CO2-Mangel.
Was hat das für Konsequenzen? «Die sind nicht erst im Winter spürbar, sondern bereits in den kommenden Tagen», sagt SRF-Grossbritannien-Korrespondent Patrik Wülser. Die beiden erwähnten Fabriken liefern 60 Prozent des Landesbedarfs an Kohlendioxid. «Die Vertreter der Lebensmittelindustrie gehen davon aus, dass es bereits diese Woche zu Engpässen bei abgepacktem Fleisch und Gemüse kommen kann», so Wülser.
Wie reagiert die britische Regierung? Premierminister Boris Johnson habe sich heute gewohnt frivol geäussert: Das werde der Markt regeln, die Regierung habe alles im Griff, die Störung sei nur vorübergehend. «Expertinnen und Experten sehen das aber deutlich weniger frivol und machen sich berechtigte Sorgen», sagt der Grossbritannien-Korrespondent.
Welche Lösungen liegen auf dem Tisch? «Es muss Geld und Gas fliessen», so Patrik Wülser. «Die Lebensmittelversorgung muss weiter funktionieren. Die Menschen in Grossbritannien wollen in den kommenden Monaten nicht frieren oder wegen der Gasrechnungen nicht verarmen.» Der Staat verhandelt zurzeit mit den Gasunternehmen, subventioniert allenfalls Betriebe ganz direkt. «Wahrscheinlich kommt es zu Direktzahlungen für Haushaltungen, um Preisanstiege zu verhindern. Die Rechnung werden am Ende wohl oder übel die Britinnen und Briten bezahlen müssen, sei es als Konsumentinnen oder verzögert als Steuerzahler», so Wülser.