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Erneuter Schlag gegen Pressefreiheit in Russland
Aus Echo der Zeit vom 21.05.2019. Bild: Keystone
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Entlassung von Journalisten Eine neue Qualität der Zensur in Russland

Die Entlassung zweier Redaktoren der Zeitung «Kommersant» ist ein weiterer Schlag gegen die Pressefreiheit.

Der «Kommersant» ist eine Zeitung für Leute, die gerne lange Texte lesen und die wissen wollen, was in Russland passiert. Unaufgeregt, ausgewogen, kritisch – so ist der «Kommersant», eine der letzten grossen Qualitätszeitungen des Landes. Das Blatt gehört dem Oligarchen Alischer Usmanow, der zwar kremlnah ist, der Redaktion aber ziemlich viele Freiheiten liess.

Doch ein Artikel der beiden Journalisten Maxim Iwanow und Ivan Safronow hat nun offenbar sehr mächtige Leute sehr wütend gemacht. In dem Text geht es um die Putin-Vertraute Valentina Matvienko, die seit vielen Jahren dem Föderationsrat vorsteht, einer der Kammern des russischen Parlaments. Sie solle abgelöst und zur Chefin des staatlichen Pensionsfonds befördert werden, heisst es in dem Text.

Eine Ausgabe des «Kommersant» an einem Kiosk.
Legende: Der «Kommersant» ist eine der letzten grossen Qualitätszeitungen Russlands. SRF

Hat Eigentümer Entlassungen veranlasst?

Weiter spekulieren die Journalisten unter Berufung auf anonyme Quellen, wer Matvienko ersetzen könnte. Dabei fällt der Name von Sergej Naryschkin, zur Zeit Chef des Auslandsgeheimdienstes SWR. Solche Artikel über das Personal-Karussell des Kreml erscheinen in der russischen Presse ständig. Auch im «Kommersant».

Trotzdem wurden Iwanow und Safronow geschasst. Angeblich hätten sie «professionelle Standards» nicht eingehalten, heisst es. Die Journalisten selber vermuten, «Kommersant»-Eigentümer Usmanow habe die Entlassung angeordnet.

Kollegen kündigen aus Solidarität

Die genauen Hintergründe sind unbekannt. Für viele Redaktoren der Zeitung aber ist klar: hier handelt es sich um einen schweren Angriff auf die Pressefreiheit. Ein Dutzend Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Innenpolitik-Ressorts haben aus Protest gekündigt. Ein mutiger Akt der Solidarität mit den entlassenen Kollegen.

Journalismus ist in Russland schon lange ein gefährlicher Beruf. Doch der Fall «Kommersant» offenbart eine neue Qualität der Zensur: Früher gab es klare rote Linien. Es gab Themen, die gefährlich waren – und jeder wusste das. Menschenrechtsverletungen in Tschetschenien zum Beispiel oder die finanziellen Interessen der obersten Machtelite. Wer darüber schrieb, riskierte viel.

Putin wirkt ideenlos

Inzwischen gibt es keine Regeln mehr. Die «Kommersant»-Journalisten Iwanow und Safronow haben sich bloss bemüht, herauszufinden, was sich in der russischen Politik tut. Sie haben einfach ihre Arbeit gemacht.

Ihr Rauswurf könnte Anzeichen dafür sein, dass die russische Machtelite nervös wird. Dem Land geht es nicht besonders gut, die Wirtschaft stagniert, viele Menschen sind unzufrieden. Und Putin, der schon 19 Jahre an der Macht ist, wirkt ideenlos.

Vielleicht werden deswegen die Schrauben angezogen. Vielleicht hat die Staatsmacht einfach Angst vor Journalisten und ihren Fragen, auch wenn sie harmlos sind.

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