- Das oberste britische Gericht hat die Unterhaus-Pause einstimmig für rechtswidrig erklärt.
- Die Regierung habe keine Rechtfertigung für solch eine extreme Massnahme vorgelegt, urteilte der Supreme Court in London.
- Es liege nun in der Hand des Parlamentspräsidenten zu entscheiden, wie es weitergehe.
- Boris Johnson äusserte sich indes am Klimagipfel in New York, dass er nicht zurücktreten und weiterhin den EU-Austritt vorantreiben werde.
Trotz seiner Niederlage vor dem Obersten Gerichtshof will der britische Premierminister Boris Johnson den EU-Austritt seines Landes bis Ende Oktober vorantreiben. «Nach derzeitigem Rechtsstand verlässt Grossbritannien die EU am 31. Oktober, komme was wolle», sagte Johnson am Dienstag vor Journalisten am Rande der UN-Vollversammlung in New York.
Er zeigte sich zuversichtlich, ein Brexit-Abkommen mit Brüssel erzielen zu können. «Und daran arbeiten wir.» In Regierungskreisen hiess es, Johnson werde nicht zurücktreten. Er werde noch im Laufe des Tages mit seinem Kabinett eine Telefonkonferenz abhalten.
Einstimmiger Entscheid und Rücktrittsforderungen
Die elf Richter des Supreme Courts entschieden einstimmig, dass die Zwangspause einen «extremen Effekt» auf das Parlament hatte, seinem verfassungsmässigen Auftrag nachzukommen, wie die Vorsitzende Richterin Lady Brenda Hale bei der Urteilsverkündung ausführte. Das Parlament habe aber ein Recht darauf, in der Zeit vor einem wichtigen Ereignis wie dem geplanten EU-Austritt am 31. Oktober eine Stimme zu haben.
Es handelt sich laut Hale um einen einmaligen Fall, den es unter diesen Umständen noch nie gegeben habe und «den es wahrscheinlich auch nie wieder geben wird».
Parlamentspräsident John Bercow zeigte sich in einer ersten Reaktion erfreut über das Urteil. Er sagte, das Unterhaus müsse nun ohne Verzögerung zusammenkommen. Der Chef der schottischen Nationalisten im Unterhaus forderte den sofortigen Rücktritt von Premierminister Boris Johnson.
Auch Oppositionsführer Jeremy Corbyn hatte seiner Parteikonferenz gegenüber gesagt, dass Premierminister Boris Johnson zurücktreten «und der kürzeste amtierende Premierminister werden sollte, den es je gegeben hat».
Fünf statt zwei Wochen Pause
Johnson hat die Abgeordneten für fünf statt der üblichen zwei Wochen in eine Zwangspause geschickt. Der Fall wurde vorige Woche von den elf höchsten Richtern drei Tage lang verhandelt. Die Anwälte der Kläger argumentierten, die Aussetzung des Unterhauses sei erfolgt, um die Abgeordneten davon abzuhalten, Johnsons Brexit-Kurs zu durchkreuzen. Die Regierungsanwälte erwiderten, es sei allein Sache von Johnson und nicht von Gerichten, über die Dauer der Unterbrechung zu entscheiden.
Johnsons Entscheidung, dem Parlament vor dem für den 31. Oktober geplanten EU-Austritt Grossbritanniens eine fast fünfwöchige Sitzungspause aufzuerlegen, hatte landesweite Proteste hervorgerufen. Kritiker hielten dem konservativen Regierungschef vor, das Parlament aushebeln zu wollen und so die Demokratie zu untergraben.
Dieser Argumentation folgte Anfang September auch ein schottisches Berufungsgericht. Es erklärte die Zwangspause für «illegal», weil es deren offensichtliches Ziel sei, «das Parlament zu behindern». Die britische Regierung legte darauf umgehend Berufung gegen die Entscheidung ein.