Die nobelste Aufgabe des UNO-Sicherheitsrats ist die Sicherung des weltweiten Friedens. Für den ukrainischen Aussenminister Dmytro Kuleba war deshalb Russlands Vorsitz in diesem Gremium von vornherein schlicht ein Skandal – oder ein ausgesprochen schlechter Aprilscherz.
Moskaus UNO-Botschafter Vassily Nebenzia versuchte zwar Anfang Monat, entsprechende Bedenken zu zerstreuen. Russland werde sein Präsidium fair ausüben. Im selben Atemzug kündigte er jedoch von Russland lancierte Sitzungen «gegen die Desinformation durch andere Länder» an, was bei sehr vielen Staaten mehr als nur Stirnrunzeln auslöste.
Entsetzen bei vielen Staaten
Helle Empörung löste aus, als Russland provokativ die per Haftbefehl vom Internationalen Strafgerichtshof gesuchte russische Verantwortliche für die Deportation ukrainischer Kinder als Expertin im Sicherheitsrat auftreten liess. Viele Staaten äusserten sich bei dem Treffen entsetzt. Auch die Schweiz.
In einer anderen, von Russland angesetzten Sondersitzung ging es um Kriegsmaterial. Moskaus Absicht: Die westlichen Waffenlieferungen an die Ukraine zu verurteilen.
Und diese Woche leitete der russische Aussenminister Sergej Lawrow persönlich eine Sitzung zum Thema Multilateralismus und Stärkung der UNO-Charta. Sarkastisch meinte dazu Barbara Woodward, Grossbritanniens Vertreterin am UNO-Hauptsitz: «Russland will offenbar für seine Vision von multilateraler Zusammenarbeit werben. In der Ukraine erleben wir gerade, was diese russische Vision für die Welt bedeutet.»
Auch die Schweiz übt Kritik
Etwas zurückhaltender, aber ebenfalls deutlich, übte auch die Schweizer UNO-Botschafterin Pascale Baeriswyl Kritik: «Der beste Weg, die UNO-Charta und die UNO-Prinzipien zu stärken, bestünde darin, sie zu respektieren. Dafür tragen besonders die UNO-Vetomächte Verantwortung.» Stattdessen verletze Russland in der Ukraine die Souveränität eines Landes, dessen Territorium und das Verbot von Angriffskriegen.
Auch für UNO-Generalsekretär António Guterres hat sich Russland mit seinem Verhalten gegenüber der Ukraine nicht qualifiziert für die Einberufung einer Sicherheitsratssitzung zum Thema Respektierung der UNO-Charta.
Zentrale UNO-Prinzipien für Kreml Fremdwort
Gewiss, es gab unter russischer Leitung auch Sitzungen, die diplomatischer verliefen. Solche, in denen Russland seinen Vorsitz professionell ausübte. Aber mehrfach missbrauchte es den Posten. Die übrigen vierzehn Mitglieder des Rates mussten sich also entscheiden: Entweder trotzdem teilnehmen und klare Worte wählen – oder diese Sitzungen boykottieren und Russland das Terrain überlassen. Für die meisten kam letzteres nicht infrage.
Der April zeigte also, wie schwer sich Russland tut mit der UNO und ihren Werten. Zwar nützt Moskau gern die Plattform der Weltorganisation, in der es dank seines Vetorechts über enorme Macht verfügt. Doch von zentralen UNO-Prinzipien wie Freiheit, Friede oder Menschenrechte hält der Kreml wenig.