Die islamistische Hamas zeigt sich einverstanden mit einem Vorschlag für eine Waffenruhe. Derweil greift die israelische Armee Rafah im Süden des Gazastreifens an – die Kontrolle über den Grenzübergang auf palästinensischer Seite hat sie, wie sie sagt, eben jetzt übernommen. SRF-Auslandkorrespondentin Susanne Brunner ordnet die jüngsten Kriegsgeschehnisse ein.
Was ist über die Angriffe auf Rafah bekannt?
Das israelische Militär teilt mit, dass es die Kontrolle über die palästinensische Seite des Grenzübergangs Rafah zwischen Israel und Ägypten im Süden des Gazastreifens übernommen hat. Zudem bombardieren die Streitkräfte seit gestern Quartiere der Millionenstadt Rafah laut Augenzeugen heftig. Diese Meldungen beruhen auf Aussagen palästinensischer und ägyptischer Quellen. Israel hat sie zur Stunde nicht kommentiert.
Warum greift Israel gerade jetzt an?
Israel hält die Zustimmung der Hamas zu einer Waffenruhe für eine Finte. Dann entspricht der Vorschlag, dem die Hamas zugestimmt hat, offenbar nicht den Vorstellungen der israelischen Regierung. Ausserdem hat Premier Netanjahu immer gesagt, ohne Grossoffensive in Rafah sei kein Sieg über die Hamas möglich. Einige ägyptische und US-amerikanische Beobachter mutmassen allerdings, das hier sei nicht der ganz grosse Angriff auf Rafah, sondern Israel wolle damit den Druck auf die Hamas weiter verstärken und weiter verhandeln.
Wer sind die treibenden Kräfte hinter der Offensive?
Auf jeden Fall die rechtsextremen Kräfte in der israelischen Regierung, die sagen, ohne einen Grossangriff auf Rafah sei überhaupt kein Sieg möglich – und israelische Soldaten seien vergeblich gestorben, wenn die Stadt nicht dem Erdboden gleichgemacht werde und ebenda die Hamas besiegt würden.
Warum lehnt Israel den Vorschlag zur Waffenruhe ab?
Öffentlich sind die Details des Vorschlags nicht. An die Medien durchgesickert sind aber folgende Punkte: Erstens will Israel die Zahl der Geiseln, die die Hamas im Falle einer Waffenruhe freilassen soll, genau festlegen, die Hamas offenbar nicht. Zweitens: Wenn die Hamas Geiseln freilässt, will sie, dass Israel palästinensische Gefangene nach ihrer Wahl freilässt. Drittens: Die Hamas will, dass eine Waffenruhe das Ende des Krieges im Gazastreifen bedeutet. Premier Netanjahu hat aber zuletzt am Wochenende wiederholt, dass der Krieg nicht aufhören werde.
Wie geht es weiter?
Während die israelischen Streitkräfte Rafah angreifen, gehen die Verhandlungen auf allen Ebenen weiter. Israel will den Vorschlag prüfen, dem die Hamas-Führung zugestimmt hat. US-Präsident Biden warnt Netanjahu vor einer Grossoffensive. Diplomaten rotieren hinter den Kulissen. Aller Voraussicht nach droht aber eine Verschlimmerung der humanitären Katastrophe, die sich im Gazastreifen eh schon abspielt. Ein Krieg bei den beiden Grenzübergängen Kerem Schalom und Rafah, über die bislang Hilfe für die Menschen gekommen ist, bedeutet, dass noch weniger Hilfslieferungen in den Gazastreifen gelangen.