- Nach monatelangem Gezerre hat sich die britische Regierung auf einen neuen Plan für die künftige Beziehung zur EU nach dem Brexit geeinigt.
- Das teilte der Regierungssitz nach einer eintägigen Klausurtagung des Kabinetts auf dem Landsitz Chequers mit.
- Teilweise nimmt die Regierung in London damit Abschied von ihrem harten Brexit-Kurs. Dennoch dürfte der Plan in Brüssel auf Skepsis stossen.
- Der Luftfahrt-Konzern Airbus verschärft unterdessen seine Kritik an der Brexit-Politik Londons.
Grossbritannien will dem Entscheid in Chequers zufolge mit Blick auf den Warenverkehr auch nach dem Austritt aus der EU weiterhin eng an den europäischen Binnenmarkt gebunden bleiben. Damit soll verhindert werden, dass der grenzüberschreitende Handel und Lieferketten zwischen Grossbritannien und dem Kontinent beeinträchtigt werden. Sichergestellt werden soll dies durch ein «gemeinsames Regelbuch», in dem London EU-Vorschriften und Produktstandards übernimmt.
Freihandelszone für Waren als Ziel
Die britische Regierung strebt bei den Verhandlungen über einen Austritt aus der Europäischen Union somit eine Freihandelszone für Waren an.
Im Unterschied zur Waren-Freihandelszone soll der Dienstleistungssektor nicht den gegenwärtigen Zugang zum EU-Raum beibehalten. Grossbritannien soll demnach die Möglichkeit haben, eigene Einfuhrzölle zu verhängen und neue Handelsabkommen zu schliessen. In Zukunft soll das Parlament auch entscheiden können, ob europäische Regeln und Vorschriften befolgt werden.
Einreise von EU-Bürgern bremsen
Die drei weiteren Freiheiten – Kapital, Arbeitskräfte und Dienstleistungen – sollen aber Beschränkungen unterworfen werden. Damit wollen die Briten die ungehinderte Einreise von EU-Bürgern stoppen und im wichtigen Dienstleistungssektor eigene Wege gehen.
Sie nehmen dabei in Kauf, dass Banken und Versicherungen keinen uneingeschränkten Zugang mehr zum EU-Binnenmarkt haben.
Fraglich ist, ob Brüssel sich auf einen solchen Handel einlässt. Bislang hat sich die EU auf den Standpunkt gestellt, dass die vier Freiheiten des Binnenmarkts nicht einzeln verhandelbar sind.
Zwei verschiedene Zollsätze
Aus der Europäischen Zollunion will London weiterhin austreten, damit das Land eigene Handelsabkommen mit Drittstaaten wie den USA und China schliessen kann.
Um trotzdem Grenzkontrollen zwischen dem britischen Nordirland und dem EU-Mitglied Irland zu vermeiden, wollen die Briten für Importe aus Drittländern zwei verschiedene Zollsätze erheben: Einen für Waren, die für den europäischen Markt bestimmt sind, und einen anderen für Güter, die in Grossbritannien verkauft werden sollen. Auch das dürfte in Brüssel auf Skepsis stossen.
EU-Chefunterhändler Michael Barnier twitterte am Abend, er freue sich auf die detaillierten Pläne. Er kündigte an, die Vorschläge würden darauf überprüft werden, ob sie realistisch und umsetzbar seien, hinsichtlich der Verhandlungsrichtlinien der EU-Kommission.
Der deutsche CDU-Europapolitiker Elmar Brok äusserte sich skeptisch, ob Brüssel die Vorschläge akzeptieren wird. Der Plan sehe so aus, als strebe Grossbritannien eine Mitgliedschaft im Binnenmarkt nur für Waren an, sagte er dem Sender BBC.
Auf Einzelheiten zu dem Plan warten will auch Jacob Rees-Mogg. Der einflussreiche Hinterbänkler in der konservativen britischen Regierungsfraktion gilt als glühender Verfechter eines klaren Bruchs mit Brüssel. Sollte sich der Kompromiss als verkappter Verbleib in der EU herausstellen, werde er im Parlament dagegen stimmen, kündigte er an.