Der Druck der letzten Wochen hat jetzt gewirkt. Am Dienstagnachmittag hat sich der französische Regierungschef Edouard Philippe bereiterklärt, die geplante Steuererhöhung auf Treibstoffe aufzuschieben. Der Entscheid ist noch kein Rückzieher. Er bestätigt aber, dass Reformen auch unter Staatspräsident Emmanuel Macron nur schleppend vorankommen dürften.
Proteste gegen wirtschaftliche Nachteile sind seit jeher Teil des französischen Selbstverständnisses. In der Folge wagten sich Staatspräsidenten entweder gar nicht erst an heikle Dossiers, oder ihre Reformen wurden von Protesten der Bevölkerung jäh ausgebremst.
Nach zwei Jahren im Amt stellte 2014 der damalige Präsident François Hollande fest: «Alle wollen Reformen. Doch wenn ich sage, was reformiert wird, schreien alle auf und sagen: Nicht mit uns.»
Der Blick auf die gescheiterten Pläne der letzten vier französischen Staatspräsidentschaften zeigt, was Hollande damit gemeint haben könnte:
2018: Treibstoffabgabe unter Emmanuel Macron
Emmanuel Macron startete fulminant in seine Amtszeit. Er schaffte es, Reformen bei der französischen Eisenbahngesellschaft SNCF und auf dem Arbeitsmarkt durchzusetzen. Mit der Erhöhung der Treibstoffabgabe zur Finanzierung der Energiewende spürt nun auch Macron den Widerstand der Bevölkerung. Die Proteste haben sich zu einer generellen Protestbewegung gegen Macron entwickelt.
2013: «Ecotaxe» unter Francois Hollande
Auch Macrons Vorgänger François Hollande eckte mit seiner Steuerpolitik an. Tausende Lastwagenfahrer wehrten sich mit Strassenblockaden gegen eine neue Schwerverkehrsabgabe, mit der die Regierung eine Milliarde Euro generieren wollte. Die Proteste gingen von bretonischen Bauern aus, die wie ihre Vorfahren bei deren Steuerrevolte im Jahr 1675 mit ihren «bonnets rouges» (roten Mützen) demonstrierten. Schnell breitete sich der Unmut aufs ganze Land aus, sodass François Hollande die «Ecotaxe» aufgeben musste.
Reformen unter Nicolas Sarkozy
Nicolas Sarkozy stellte der Bevölkerung bei seinem Amtsantritt grundlegende Reformen in Aussicht. Er ging aber viele seiner Anliegen, wie etwa die 35-Stunden-Woche, nicht an. Dafür brachte er unter grossen Protesten eine Rentenreform und mit ihr die Erhöhung des Rentenalters auf 62 Jahre zustande. Kurz darauf wurde Sarkozy von der französischen Bevölkerung abgewählt und der neue Präsident François Hollande machte die Erhöhung des Rentenalters wieder rückgängig.
2006: Arbeitsrechtsreform unter Jacques Chirac
Jacques Chiracs Regierungschef Dominique de Villepin wollte die Jugendarbeitslosigkeit mit der Lockerung des Kündigungsschutzes bekämpfen. Dafür sollten Unternehmen dazu ermuntert werden, stärker auf Junge zu setzen. Doch die Jungen selbst missbilligten die Pläne der Regierung und gingen zu Hundertausenden auf die Strasse. Innert Kürze stieg auch der Druck in der Politik, sodass der Gesetzesentwurf schliesslich aufgegeben wurde.
1995: Reform der Sozialversicherung unter Jacques Chirac
Unter dem neu gewählten Staatspräsidenten Jacques Chirac setzte Premierminister Alain Juppé zur Reform der defizitären Sozialversicherung an. Einen Monat lang legten Streikende den öffentlichen Dienst Frankreichs lahm, sodass grosse Teile der Reformpläne von Juppé wieder zurückgezogen wurden. Bei den Wahlen im Jahr 1997 wurde Juppé für seinen Reformkurs abgestraft. Er zog die Konsequenzen und trat zurück.