Das Wichtigste in Kürze
- Die schwedische Staatsanwaltschaft lässt die Ermittlungen gegen den Mitbegründer der Enthüllungsplattform Wikileaks, Julian Assange, fallen.
- Der Fall könnte wieder aufgenommen werden für den Fall, dass Assange nach Schweden reisen würde.
- Die Anklagebehörde hatte sieben Jahre lang wegen Vergewaltigungsvorwürfen gegen Assange ermittelt.
- Trotzdem wird der 45-Jährige sein Asyl in der Botschaft Ecuadors in London wohl so schnell nicht verlassen. Er hingegen fordert Wiedergutmachung.
Wikileaks-Gründer Julian Assange muss offensichtlich nicht mehr die Auslieferung nach Schweden befürchten, dennoch droht ihm weiter die Festnahme. Die schwedische Staatsanwaltschaft teilte mit, ihre Ermittlungen gegen den 45-Jährigen wegen Vergewaltigungsvorwürfen seien eingestellt. «Wir sehen keine Möglichkeiten, die Ermittlungen weiter voranzubringen», sagte Anklägerin Marianne Ny in Stockholm. Sie betonte zugleich: «Wir treffen keine Aussagen zur Schuld.»
Damit ist Assange aber zunächst noch kein freier Mann. Die britische Polizei kündigte umgehend an, den Enthüllungsaktivisten festzunehmen, sobald er Ecuadors Botschaft in London verlasse.
Scotland Yard ergänzte, es gehe nunmehr um ein «viel weniger schweres Vergehen». Nähere Angaben, wer Assange was vorwirft, machten die britischen Ermittler vorerst nicht. Wie der Nachrichtensender Sky News berichtet, soll es sich dabei um einen Verstoss gegen die Auflagen handeln, die Assange 2012 akzeptiert hatte. Damals war er gegen Kaution auf freien Fuss gekommen.
Nach Einstellung der schwedischen Strafermittlungen fordert Ecuador freies Geleit, damit der Wikileaks-Gründer die Botschaft in London verlassen kann. «Der europäische Haftbefehl gilt nicht länger», teilte Aussenminister Guillaume Long mit. Das Vereinigte Königreich müsse Assange nun eine sichere Passage garantieren.
Wenn Grossbritannien dies gewähre, sei Assange in Ecuador willkommen, sagte Long auf einer Pressekonferenz in der Hauptstadt Quito.
Das Asyl Ecuadors sei 2012 aufgrund der Befürchtung einer politischen Verfolgung gewährt worden, sagte Long. «Die Erklärungen von Vertretern der US-Regierung der vergangenen Wochen bestätigen unsere Befürchtungen.» Long bezog sich unter anderem auf Aussagen des CIA-Chefs Mike Pompeo im April, der Wikileaks als einen feindlichen Geheimdienst bezeichnet habe. Ecuador werde das Asyl aufrechterhalten, solange diese Befürchtungen weiter bestünden.
Harsche Kritik an Schweden und Grossbritannien
Mit gereckter Faust hat sich Wikileaks-Gründer Julian Assange auf dem Balkon der ecuadorianischen Botschaft in London der internationalen Presse gezeigt. Laut Berichten erwägt der Wikileaks-Gründer eine Klage gegen den schwedischen Staat. «Es geht nicht um Geld, sondern um Restitution», zitierte das schwedische Radio Assange-Anwalt Per E. Samuelson.
Assange hat kritisiert, dass er sieben Jahre ohne Anklage festgehalten worden sei. Fünf Jahre davon habe er in der ecuadorianischen Botschaft in London verbringen müssen. «Das kann ich nicht vergeben und nicht vergessen», sagte Assange. Das sei nicht das, «was wir von einem zivilisierten Staat erwarten». Ein ähnliches Statement hatte Assange zuvor auf Twitter verbreitet.
Seit 2012 im Exil
Der Australier lebt seit 2012 im selbstgewählten Exil in der Botschaft von Ecuador, um einer Auslieferung zu entgehen. Assange fürchtete stets, zunächst an Schweden und von dort an die USA ausgeliefert zu werden.
Die USA machen Assange dafür verantwortlich, dass über seine Plattform Wikileaks brisante US-Dokumente aus den Kriegen in Afghanistan und im Irak veröffentlicht wurden. Über einen möglichen Auslieferungsantrag der US-Regierung ist allerdings nichts bekannt.
Die Vergewaltigungsvorwürfe gegen Assange stammen aus dem Jahr 2010. Nach langem Tauziehen war Assange im November in der Botschaft Ecuadors vernommen worden. Die schwedischen Staatsanwälte erläuterten, die Entscheidung hänge nicht mit einer möglichen Strafverfolgung des Wikileaks-Gründers durch die US-Behörden zusammen. «Die Entscheidung, die heute getroffen wurde, hat nichts mit möglichen Aktionen der US-Regierung zu tun», so Anklägerin Ny.