Man nennt ihn den «schwarzen» Frost, diese trockene Kälte mit eisigen Nächten ohne Morgentau, der die blühende Natur schützen würde. Bauern vom Elsass über das Burgund bis ins Rhonetal, von Zentralfrankreich bis zur Haute-Provence versuchten, mit Feuern, mit Windmaschinen und Frostkerzen ihre Kulturen vor der Polarkälte zu schützen. Ohne Erfolg, wie Daniel Betton konsterniert feststellt.
Die Triebe an seinen 55 Hektar Aprikosenbäumen werden schon braun und werden abfallen. «Da können wir noch lange heizen, mit allem, was möglich ist. Bei Temperaturen, die auf minus 4, minus 5 sinken, hilft alles nichts. Für dieses Jahr ist die Ernte komplett verloren», sagt der Obstbauer mit Tränen in den Augen.
Landwirtschaftlicher GAU
Frankreich hat seit über 50 Jahren keinen so strengen Frost mehr erlebt. 10 der 13 Regionen auf dem Festland sind betroffen. Durch den viel zu warmen März hatte die Vegetation 10 bis gar 15 Tage Vorsprung. Was ihr nun zum Verhängnis wurde. Landwirtschaftsminister Julien Denormandie schätzt, dass mehrere hunderttausend Hektar an Obst- und Gemüsekulturen im Land zerstört wurden.
Je nach Gebiet würden 50, 70 ja bis 100 Prozent der Ernten von Pfirsichen, Kirschen, Äpfeln, Pflaumen, Kiwis, Aprikosen, aber auch von Trauben, Raps oder Zuckerrüben ausfallen. «Wir haben den landwirtschaftlichen Katastrophenfall ausgerufen, damit wir den Betroffenen finanziell unter die Arme greifen können», erklärte Denormandie beim Besuch in einem Weinberg in Zentralfrankreich.
Durch die offizielle Anerkennung der Situation haben die Bauern und Produzenten Zugang zu einer Entschädigung aus dem nationalen Landwirtschafts-Risikofonds.
Frust und Existenzängste
Doch auch wenn die Einbussen vom Staat und von Versicherungen finanziell abgefedert werden, ist die Frustration gross: «Ich habe 6 Monate lang umsonst gearbeitet», ärgert sich Winzer Josselin Ragot, «den ganzen Winter war ich draussen und habe die Rebstöcke zurückgeschnitten. Und jetzt werde ich für diese Arbeit nicht belohnt. Das tut schon weh.»
Die Weinbauern sind vom Kälteeinbruch besonders betroffen. Von der Champagne übers Bordelais, vom Burgund bis ins Rhonetal wurden die weit ausgetriebenen Knospen der Rebstöcke durch den schwarzen Frost «verbrannt». Ein Winzer der Côte Rôtie, der für gewöhnlich 80'000 Flaschen produziert, rechnet dieses Jahr noch mit 10'000.
Viele Winzer haben Angst, dass sich die Geschichte wiederholt. Auch 2017 hatte eine Kältewelle zu einer miserablen Weinernte geführt, von der sich viele Produzenten noch nicht erholt haben. Das ganze Ausmass der Frostschäden in der französischen Landwirtschaft ist derzeit noch nicht bezifferbar und wird sich wohl erst Ende Sommer zeigen. Die Branche rechnet jedoch mit steigenden Preisen für Wein, Obst und Gemüse.