Soweto, Baragwanath-Spital, das grösste Afrikas. Hier findet die erste Covid-Impfstudie des Kontinents statt. Junior Mhlongo gehört zu den Freiwilligen, die an dieser historischen Studie teilnehmen. Er bekommt eine Spritze in den Arm – ob es der Impfstoff ist oder ein Placebo, weiss er ebenso wenig wie die Wissenschaftler, so wie bei klinischen Doppelblindstudien üblich. Ein bisschen mulmig zumute sei ihm schon, gibt er zu.
Er wolle herausfinden, ob dieser Impfstoff wirksam sei und seinen Freunden davon erzählen, sagt Mhlongo. Andere Probanden sagen ebenfalls, dass sie bei der Suche nach einem Impfstoff helfen wollen, um Menschenleben zu retten und damit Südafrika bald wieder zur Normalität zurückkehren könne. Bislang wurden über 400 Probanden und Probandinnen rekrutiert, bis Mitte August sollen es rund 2‘000 sein.
«Überwältigende Resonanz»
Die Zeit eilt, aber beteiligte Forscherinnen wie Clare Cutland von der Johannesburger Wits-Universität sind zuversichtlich: «Die Reaktionen in der Bevölkerung waren begeistert, sogar enthusiastisch. Wir haben zunächst Teilnehmer früherer Impfstudien informiert, damit sie Angehörigen, Freunden und Nachbarn davon erzählen. Und tatsächlich hat jeder, der zu uns kam, fünf oder sechs andere mitgebracht. Die Resonanz war überwältigend.»
Südafrika hat langjährige Erfahrung mit klinischen Studien, die nach internationalen Standards durchgeführt werden, von Ethik-Komitees überwacht. Jeder Proband wird umfassend aufgeklärt und muss mehrere Einverständniserklärungen unterschreiben. Alle bekommen eine kleine Aufwandsentschädigung, aber wirklich Geld verdienen sie damit nicht.
Wenn ein wirksamer und sicherer Impfstoff gefunden wird, dann werden jene Länder prioritär behandelt, die sich an klinischen Studien beteiligt haben.
Trotzdem müssen sich die Forscher immer wieder den pauschalen Vorwurf gefallen lassen, Afrikaner würden als Versuchskaninchen ausgenutzt. Dabei sei das Gegenteil der Fall, kontert Professor Shabir Madhi, einer der renommiertesten Impfforscher Südafrikas und Hauptprüfer der Studie. «In der Vergangenheit sind viele lebensrettende Impfstoffe erst fünf bis zwanzig Jahre nach deren Einführung in Industriestaaten auch in ärmeren Ländern eingetroffen.»
Das liege zum einen an den hohen Kosten, aber auch daran, dass sie nicht früh genug im lokalen Kontext erforscht würden. «Weniger als zweieinhalb Prozent aller klinischen Studien werden in Afrika durchgeführt, dabei leben hier 17 Prozent der Weltbevölkerung.»
Es sei zentral zu wissen, wie eine Impfung in unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen wirke, betont Madhi. Dabei spielen sowohl Genetik als auch Vorerkrankungen eine Rolle. Im Fall von Südafrika etwa die hohe Zahl an HIV-Infizierten. Daher wird die Sicherheit des Covid-Impfstoffs auch an 50 HIV-positiven Südafrikanern und Südafrikanerinnen getestet.
Wer mitarbeitet, profitiert
Eine weitere Motivation sei es, sich gerade jetzt inmitten einer Pandemie einen möglichst schnellen Zugang zu einem Impfstoff zu sichern, fügt Forscherin Cutland hinzu. «Wenn ein wirksamer und sicherer Impfstoff gefunden wird, dann werden jene Länder prioritär behandelt, die sich an klinischen Studien beteiligt haben.»
Das bedeute nicht, dass Südafrika direkt eine Dosis für jeden Bürger erhalte, aber wahrscheinlich einen Teil der ersten produzierten Impfdosen weltweit. «Die Entscheidung, wer in unserem Land die Impfung erhält, wird dann mit Blick auf das Risiko und den Bedarf gefällt.»