Junge Menschen zu finden, die offen über ihre politische Meinung reden, ist nicht leicht, weder in Gaza noch im Westjordanland. Denn Regierungskritik ist in beiden Gebieten gefährlich. Die Liste von Aktivisten, Kritikerinnen und Journalisten, die in den letzten Jahren von palästinensischen Sicherheitskräften verhaftet, geschlagen oder getötet wurden, ist lang.
Dennoch erklären sich vier junge palästinensische Frauen und Männer bereit, am Handy über die anstehenden Wahlen zu reden – einfach ohne zu sagen, wen oder welche Partei sie wählen werden.
Die Jüngste ist 18, wohnt im Westjordanland, und will nicht, dass man ihren Namen nennt. «Zuerst war ich richtig glücklich über die Aussicht auf Wahlen», sagt die angehende Innenarchitektin, die nebenbei als Kellnerin arbeitet. Jetzt sei sie jedoch enttäuscht. Denn der langjährige Präsident Mahmoud Abbas sei wieder der einzige Kandidat. «Er ist jetzt 85, das ist ziemlich alt», sagt sie.
Es gebe viele Palästinenserinnen und Palästinenser in ihren Dreissigern oder Vierzigern, die besser wüssten, was in der Welt passiere und qualifizierter seien. Dass Abbas keinem Jüngeren Platz machen will, findet sie unfair.
Kein Platz für Junge
Der nur wenig ältere Student Ahmad, der ebenfalls im Westjordanland wohnt, drückt seine Enttäuschung darüber noch deutlicher aus: «Wir Jungen haben das Gefühl, dass man unsere Rechte gestohlen hat.» Die regierende Partei mache den Jungen keinen Platz, sie drohe ihnen sogar. «Sie liess durchblicken: Wer gegen den Präsidenten antritt, landet im Gefängnis.»
Faire Wahlen erwartet er also nicht. Er verweist auf die Parlamentswahlen vor 15 Jahren, als er noch ein Kind war. Damals habe die regierende Fatah-Partei den Sieg der islamistischen Hamas nicht akzeptiert und das Parlament einfach aufgelöst.
Ganz ähnlich klingt es im Gazastreifen. Der 28-jährige Mohammad ist dort Chef einer kleinen Firma. «Es gibt keinen Platz für uns. Manchmal gibt es bei Wahlen Frauenquoten. Es sollte aber auch eine Jugendquote geben.»
Nur jüngeren Politikern traut er zu, die israelisch-ägyptische Belagerung des Gazastreifens zu beenden und damit seiner Generation eine Perspektive zu geben. Aber die besten Listenplätze habe die alte Garde für sich reserviert.
Etwas zuversichtlicher ist Nora. Sie lebt in Gaza und studiert Englisch. «Wir Jungen schauen den Wahlen optimistisch entgegen, und hoffen, dass sie die Spaltung der palästinensischen Parteien beendet. Denn wir bezahlen den Preis dafür: Über 50 Prozent von uns sind arbeitslos, 80 Prozent der Familien leben unter der Armutsgrenze und wir haben keine Bewegungsfreiheit.»
Hoffnung auf Zukunft
Die 20-Jährige ist überzeugt, nur wenn sich die beiden Parteien Hamas und Fatah versöhnen, werde sich in ihrem Leben etwas verändern. Die bevorstehenden Wahlen sind für sie ein Hoffnungsschimmer. «Ich bin glücklich, dass ich wie andere junge Menschen in der Welt wählen kann – und hoffentlich ab jetzt alle vier und nicht alle 10 bis 15 Jahre.»
«Ich will die beste, die richtige Person wählen können, die mir helfen wird, meine Zukunftsträume zu verwirklichen», sagt Nora. Dazu gehören Arbeit und ein unabhängiger und selbstbestimmter Palästinenserstaat – ohne Einmischung von aussen. Dass der bevorstehende Urnengang diese Träume nicht erfüllen wird, weiss die 20-Jährige aus Gaza. Bei ihren allerersten Wahlen überhaupt will sie die Hoffnung aber nicht gleich aufgeben.