Während die Bombardierungen zwischen Israel und der Hamas weitergehen, wird auch an der Grenze zu Libanon geschossen, wo sich im Süden die radikale Hisbollah eingerichtet hat. Die drohende Ausweitung des Konfliktes macht vielen Menschen in der Hauptstadt Beirut Sorge.
Aus der American University in Beirut strömen zur Mittagszeit Studierende und bestellen sich einen Kaffee am Stand gleich gegenüber. Auch Angelina, die auf ihrem Handy mitverfolgt, was sich wenige hundert Kilometer südlich abspielt.
Die Bilder aus Gaza belasten sie stark: Das ständige Bombardement, die Frauen und Kinder, die ums Leben kämen – das sei ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Dass Israel sich verteidige, sei verständlich, fügt eine Kommilitonin hinzu. Aber dafür müsse man den Zivilisten doch nicht Wasser und Strom abstellen.
Wir wollen keinen Krieg, doch die Hisbollah manövriert uns hinein.
Wie die Hamas aus Gaza, so feuert auch die Hisbollah im Süden Libanons Raketen auf Israel ab. Angelina befürchtet, dass der Konflikt jetzt auch nach Libanon kommt. «Wir wollen keinen Krieg, doch die Hisbollah manövriert uns hinein», sagt ein anderer Student und verschwindet gleich wieder. Kritik an der Hisbollah ist gefährlich in Beirut. Überall hat es Spitzel.
«Wir haben gelernt, damit umzugehen»
Doch trotz der drohenden Gefahr ist die Stimmung vordergründig noch entspannt. Das Leben in Beirut geht seinen gewohnten Gang, die Autokolonnen sind nicht weniger und auch nicht mehr geworden.
An einer Strassenkreuzung steht Michel und raucht eine Zigarette. Er habe sich an die ständig drohende Kriegsgefahr gewöhnt, sagt er. Palästina, Syrien, Libanon – mal sei die Gefahr kleiner, mal grösser: «Wir haben gelernt, damit umzugehen».
Der letzte Krieg mit Israel ist keine 20 Jahre her und noch in den Köpfen präsent. Gerade unter der älteren Generation: Taxifahrer Hussein sitzt auf einem Plastikeimer neben dem Auto und wartet auf Kundschaft.
Hussein findet, dass sich die arabischen Staaten nun alle an einem Krieg gegen Israel beteiligen sollten. Täglich hätten israelische Soldaten Palästinenser getötet, der Angriff der Hamas sei eine Reaktion darauf gewesen.
Libanon auch ohne Krieg in Not
Ein Flächenbrand würde leicht auch Libanon in den Abgrund ziehen. «Vielleicht, das ist möglich», sagt der ältere Mann gleichgültig, als wäre das nicht sein Problem.
Doch ein Krieg ist wohl das Letzte, was Libanon neben der Regierungs- und Finanzkrise jetzt brauchen kann. Die Würfel dazu seien längst gefallen, sagt der arbeitslose Faisal in einer Bäckerei, und verweist auf die zwei von den USA in die Region verlegten Flugzeugträger.
In einem Krieg stirbt man wenigstens, doch die Wirtschaftskrise frisst einen langsam auf.
«Wenn Israel in Gaza fertig ist, kommen sie nach Libanon», ist Faisal überzeugt. Dennoch sei die aktuelle Wirtschaftskrise schlimmer als jeder Krieg: «In einem Krieg stirbt man wenigstens, doch die Wirtschaftskrise frisst einen langsam auf.»