Was haben Smartphones, Elektroautos, Windräder und der F-35-Kampfjet gemeinsam? Sie enthalten die Metalle der sogenannten Seltenen Erden, die zu extrem starken Magneten verarbeitet werden. Sie sind ein begehrter Rohstoff, der die Elektrifizierung und die Energiewende überhaupt möglich macht. Der Bedarf an diesem Material steigt rasant – und China kontrolliert den Markt fast komplett.
Was bereits unter US-Präsident Donald Trump begonnen hat, hat auch Joe Biden zur Priorität erklärt: Eine eigene Lieferkette, unabhängig von China. Mehrere Unternehmen wollen in diesem vielversprechenden Markt mitmischen. Doch erst ganz wenige sind so weit, erste Schritte in der Herstellung der Seltenen-Erde-Produkte zu machen.
Quer durch die Weiten von Amerika, dort wo Utah und Colorado, Arizona und New Mexico aneinander grenzen, fahren wir zu der Mine, die die Rohstoffe für die Energiewende bereitstellen will.
Logan Shumway ist der Betriebsleiter der Mine in White Mesa. Die Mine wird betrieben von der Firma Energy Fuels. Eben ist eine Lieferung Monazit-Sand aus Georgia angekommen. «Monazit ist eine sehr gutes Erz. Dieser Sand hier enthält eine sehr hohe Konzentration der Seltenen-Erden-Metalle wie Neodym und andere. Diese werden für Magnete gebraucht. Es ist eines der besten Erze für Seltene Erden», sagt er.
Monazit-Sand gibt es an verschiedenen Orten der Welt. Doch er hat einen Haken: Der Sand ist radioaktiv, er enthält auch Uran und Thorium. «Es ist eine relativ schwache Radioaktivität. Wir überwachen es genau. Jeder Angestellte trägt einen Dosimeter und es gibt überall Messgeräte auf dem Gelände.» Die Mitarbeitenden hier sind gemäss den Messungen der Firma weniger Strahlung ausgesetzt als etwa das Flugpersonal.
In White Mesa werden die Metalle der seltenen Erden von radioaktiven Elementen getrennt. Die Firma hat Erfahrung mit Radioaktivität. Die Anlage bereitet seit Jahrzehnten Uran auf. Das Uran im Monazit wird abgesondert und an Atomkraftwerke verkauft.
«Was für andere ein schwieriges Nebenprodukt ist, können wir in einen Wertstoff verwandeln und helfen, das Stromnetz in den USA zu stärken.» Shumway sagt, ein grosser Teil des Erzes könne verwendet werden und es bleibe wenig Abfall übrig.
In der Anlage wird aus dem Monazit in einem chemischen Prozess ein weisses Pulver hergestellt, ein Zwischenprodukt mit den Seltenen Erden. Derzeit wird das Pulver nach Estland transportiert und in mehreren Schritten bis hin zu Magneten weiterverarbeitet.
Die Firma hat eben erst mit der Seltenen Erden Verarbeitung begonnen. Vor wenigen Monaten konnte sie die erste Ladung Seltene-Erden-Karbonat ausliefern. Für Shumway ist es ein erster Schritt von mehreren in der komplexen Verarbeitung von Seltenen Erden. Das Ziel: Die ganze Produktionskette in den USA aufzubauen.
Im Labor forschen Mitarbeitende an den nächsten Schritten. Eine neue Produktionsanlage ist geplant. Die letzten Jahre kämpfte Energy Fuels ums Überleben. Die Herstellung von Seltenen Erden bedeutet eine neue Hoffnung. Der Geschäftsführer hat grosse Pläne.
Die Firma habe das Potenzial, den gesamten Bedarf der USA an Seltenen Erden zu verarbeiten. Und dieser steige mit der Elektrifizierung der Wirtschaft rasant: «Die Welt ist fast komplett von China als Seltene-Erden-Produzent abhängig geworden. Und die White-Mesa-Mine› ist eine der wenigen weltweit, die ähnliche Fähigkeiten aufbaut.»
Die USA streben Unabhängigkeit von China an
Diese Abhängigkeit von China wollen die USA ändern. Bereits Donald Trump war sie ein Dorn im Auge. Und auch US-Präsident Joe Biden will im Rennen um die begehrten Rohstoffe aufholen. Das Ziel: Unabhängigkeit von China und die Energiewende umsetzen. 2030 sollen die Hälfte aller verkauften Autos elektrisch sein.
Biden hat in seinem Infrastrukturpaket Milliarden für die Elektrifizierung Amerikas bereitgestellt. «Die Zukunft der Autoindustrie ist elektrisch. Die Frage ist, ob wir in diesem Rennen um die Zukunft führen oder verlieren. Oder ob wir diese Fahrzeuge und Batterien in den USA herstellen oder von anderen abhängig sind», sagte Biden dieses Jahr in einer Fabrik für elektrische Fahrzeuge. «China führt in diesem Rennen, das ist ein Fakt.»
Gefährliche Beiprodukte
Abbau und chemische Verarbeitung der Rohstoffe habe erhebliches Schadenspotential, sagen Experten wie Ryan Castilloux von Adamas Intelligence. «Wir haben den Schaden gesehen, der in China angerichtet wurde, mit nachteiligen Abbaumethoden. Die Gefahr besteht auch anderswo. Aber wir sind zuversichtlich, dass in den USA ein vorbildliches Verfahren zur Anwendung kommt und auf gewisse Weise die gute Praxis für die Seltene-Erden-Industrie neu definiert.»
Zurück in Utah, in der Anlage von White Mesa. Bei der Verarbeitung von Seltenen Erden und von Uran bleiben leicht radioaktiver Sand als Abfallprodukt und Chemikalien übrig. Sie werden in grossen Becken gelagert, die eine Fläche von mehreren Fussballfeldern bedecken.
Logan Shumway zeigt uns verschiedene Apparaturen an den Becken. «Das ist ein Überwachungssystem für die Becken. Wenn es ein Leck erkennt, gibt es einen Alarm. Es wird täglich überprüft.» Alarme gebe es keine, ausser einer vor längerer Zeit, sagt Shumway. Das Leck wurde geflickt. Der Alarm habe gezeigt, dass das Überwachungssystem funktioniere.
Nach mehreren Jahren werden die Becken trockengelegt und zugedeckt. Sie werden zu Endlagern, die aussehen wie eine Brache, und bleiben für immer dort.
Die Anlage belaste die Umwelt, befürchten einige Angehörige der «Ute Mountain Ute Tribe Native Americans», die einige Kilometer von der Mine entfernt wohnen.
Colin Larrick ist ihr Wasserbeauftragter. Er führt uns zu einer Quelle auf dem Land der Ute: «Unsere grösste Sorge wegen der Quellen und der Mine ist, dass radioaktive und giftige Metalle die Wasserqualität belasten. Die Daten zeigen Anzeichen einer Verunreinigung des Wassers von einer Uran-Mine.»
Das stimme absolut nicht, sagt Mark Chalmers, Geschäftsführer von Energy Fuels. «Diese Anlage wird mehrmals monatlich kontrolliert. Wenn die Ute sagen, etwas ist verschmutzt, dann entspricht das nicht den Daten und auch nicht der Einschätzung des Staates Utah.» Mehrere Messstationen überwachen das Grundwasser rund um die Anlage, die Daten aus den Messungen sind öffentlich zugänglich.
Trotzdem misstraut der Vorsitzende der Ute-Ureinwohner, Manuel Heart, den Ergebnissen aus dem Überwachungssystem der Mine: «Wir sagen, es ist verschmutzt. Der Staat Utah sagt Nein, alles entspricht den Regeln. Ich finde, die Mine soll geschlossen werden.». Dies sei der Wunsch vieler in seinem Stamm.
Für Logan Shumway ein trauriger Streit: «Dies ist kein Risiko für die Umwelt oder für irgendjemanden. Und wenn es je so käme, würden wir es beheben, sodass es sicher ist. Ich lebe auch hier, ich bin hier aufgewachsen, meine Kinder leben hier.» Die Behörden von Utah sagen, dass es keinerlei Hinweise für eine Verschmutzung des Grundwassers durch die Anlage gebe. Mit einem Treffen wollen die Minenbetreiber nun Vertrauen schaffen.
Dies ist kein Risiko für die Umwelt oder für irgendjemanden. Und wenn es je so käme, würden wir es beheben.
Klar ist: Das Interesse von Unternehmen wie Autobauern an Rohstoffen aus solcher Produktion - reguliert und kontrolliert gemäss US-Gesetzen - ist gross. Unternehmen und Politik sehen grosse Chancen in einer eigenen Lieferkette. Doch die Herstellung ist kompliziert und nicht ohne Risiken. In China gibt es kaum Kontrollen und Widerstand. Doch im eigenen Land sind die Umweltrisiken viel sichtbarer und der Widerstand von manchen Umweltschützern und «Native Americans» ist gross.