Donald Tusk hat das Privileg, die Gipfel der Staats- und Regierungschefs vorzubereiten. Dazu gehört, dass er im Vorfeld einen Entwurf für die Schlusserklärung ausarbeitet.
Weitreichender Kurswechsel angedacht
Im Entwurf für den Gipfel von nächster Woche steht, die Staats- und Regierungschefs unterstützten die Entwicklung von Zentren ausserhalb der EU: Dorthin sollen Menschen zurückgebracht werden, die auf dem Mittelmeer gerettet werden. Dort soll auch abgeklärt werden, ob jemand das Recht auf Asyl hat oder nicht.
Tusk möchte so die Flüchtlingsroute über das Mittelmeer schliessen. Bis anhin war der österreichische Kanzler Sebastian Kurz einer der wenigen Wortführer dieses Konzepts. Nun macht sich Tusk diese Idee zu eigen und prescht vor.
Viele offene Fragen
Dies trotz zahlreichen Bedenken und ungeklärten juristischen Fragen: Wie kann etwa garantiert werden, dass jemand, der auf dem Meer gerettet und in ein solches Lager zurückgebracht wird, gleichwohl das Recht auf ein faires Asylverfahren hat? Führen das europäische Beamte und Richter in Tunesien beispielsweise durch, oder Tunesier im Namen der EU?
Aber Tusk scheint die Abschreckung wichtiger. Und vor allem möchte er Bewegung in die seit Jahren blockierte Reform des Dublin-Systems bringen. Tusk ist offensichtlich der Meinung, dass er mit einem Überraschungscoup die Skepsis am einfachsten überwinden kann.
Vorerst nur ein Vorschlag
Und Skepsis gibt es: Der zuständige EU-Kommissar Dimitris Avramopoulos zweifelt denn auch, dass irgendein Land freiwillig ein solches Zentrum auf dem eigenen Territorium einrichtet.
Auch die deutsche Kanzlerin Angela Merkel und der französische Präsident Emmanuel Macron reagierten zurückhaltend. Beide betonten, dieser Vorschlag sei noch nicht einmal von ihren Botschaftern in Brüssel diskutiert worden. Trotzdem hat Tusk die Diskussion nun lanciert.