Das hat es in Den Haag noch nie gegeben: Ein Parlamentarier, der seine Antrittsrede vor dem Plenum in Latein hält. Und noch nie hat sich ein Abgeordneter einen Konzertflügel in sein Büro in der Tweede Kamer, ins niederländische Parlamentsgebäude, liefern lassen.
Beides ist typisch für Thierry Baudet, den 36-jährigen Rechtsaussen-Politiker, der sich nicht nur gerne in Szene setzt, sondern sich auch als «den wichtigsten niederländischen Intellektuellen» bezeichnet.
Sein Latein kam nicht gut an
Mit Latein kam er allerdings nicht durch. «In diesem Saal wird Niederländisch gesprochen», kritisierte ihn die Parlamentspräsidentin, und dabei wolle sie bleiben.
Baudet ist Historiker, Jurist und Buchautor. Er begann seine Polit-Laufbahn als Aktivist und überzeugter EU-Gegner in einer Gruppe, die das Assoziierungsabkommen zwischen der EU und der Ukraine torpedieren wollte. Die Gruppe gewann eine rechtlich nicht bindende, nationale Abstimmung mit 61 Prozent der Stimmen.
Beflügelt von diesem Erfolg gründete Baudet die Partei «Forum für Demokratie». Sie gewann bei den letzten Parlamentswahlen zwei Sitze.
Zweifelhaftes Frauenbild
Seitdem weiss Baudet die Aufmerksamkeit konstant auf sich zu ziehen. Zum Beispiel, wenn er gegen die aus seiner Sicht zu lasche Migrationspolitik der Regierung wettert und orakelt, dass es die Niederlande wegen der Zuwanderung in 50 Jahren nicht mehr gebe.
Dann fällt er wieder auf, weil er behauptet, Frauen wollten nicht mit Respekt behandelt, sondern vielmehr überrumpelt, beherrscht und überwältigt werden.
Oder wenn er Klimawissenschaftlern widerspricht, deren alarmierende Studien schönredet und dabei die Zahlen immer wieder grosszügig zu seinen Gunsten frisiert. Wenn er allerdings kritisiert wird, schlägt er um sich.
Niederländische Innenministerin angezeigt
Er habe soeben die Innenministerin wegen Verleumdung und übler Nachrede angeklagt, teilte der Politneuling vor wenigen Monaten einer Presseschar mit. Die Innenministerin hatte ihm in einer Rede vorgeworfen, sich nicht von einem Parteikollegen distanziert zu haben, der behauptete, Menschen mit dunkler Hautfarbe hätten einen tieferen IQ. Der Richter hat die Klage inzwischen abgewiesen.
Im Gegensatz zu seinem Rechtsaussen-Rivalen Geert Wilders, der sich gerne provinziell gibt, wohnt der aalglatte Akademikersohn Baudet im schicken Amsterdamer Grachtengürtel. Und weil Baudet einen klugen und weniger verbissenen Ton anschlägt, ist er für das rechte Spektrum der Bürgerlichen wählbarer.
Aber wie Wilders hat auch Baudet bei den Provinzwahlen viele Stimmen in eher kleinen Orten geholt, nicht zuletzt dank seiner medialen Omnipräsenz. Doch nach seiner geschwollenen Rede am Wahlabend rieben sich viele verdutzt die Augen.
Zitat von Hegel war vielen zu hochgestochen
In tiefschwarzen Worten sprach er vom Untergang der Niederlande, von der Eule von Minerva, die mit der einbrechenden Dämmerung ihren Flug beginnt. Dass dies ein Zitat das deutschen Philosophen Hegel war, begriffen die meisten erst am nächsten Tag, nachdem sie es in der Zeitung gelesen hatten. Und obwohl die Niederlande weit entfernt sind vom Untergang, wurde Baudet von seinen Anhängern frenetisch bejubelt.
Dieselben und laut Umfragen noch viel mehr, werden ihm auch bei den Europawahlen ihre Stimme geben. Und wieder werden seine Anhänger johlen, auch wenn sie kaum ein Wort von dem verstehen, was er sagt.