Programmatisch ist zumindest der Name: «Sblocca Cantieri» soll im Rahmen des Corona-Wiederaufbauplans der Regierung in Rom 130 strategische Grossbaustellen in Gang setzen. Diese ruhen seit Jahrzehnten als Projekte in Schubladen oder stehen als unfertige Bauwerke und deutliche Mahnung für verschwendete Steuergelder in der Landschaft.
Seit 35 Jahren verwaist
Ein Grossteil der nötigen Gelder für diese bauliche Wiederbelebung soll aus dem «Recovery Fund» stammen, den die EU-Mitglieder jetzt schnüren müssen. Italien zählt dabei auf 180 Milliarden Euro. Davon sollen 65 Milliarden in den Ausbau von Strassen, Eisenbahnen und erneuerbarer Energien fliessen.
Eines der Projekte beginnt auf einem riesigen leeren Parkplatz in Matera, der letztjährigen Kulturhauptstadt Europas. Hier in der süditalienischen Basilikata steht ein Bahnhof, der seit 35 Jahren noch immer auf den Anschluss ans nationale Eisenbahnnetz wartet.
20 Kilometer Schienen fehlen noch
Nicola Pavese kämpft mit seiner Bürgerinitiative «Matera Ferrovia Nazionale» bislang vergeblich auf die Vollendung dieses Infrastrukturprojekts: «Es ist doch unglaublich: Das nationale Gleisnetz ist nur 20 Kilometer entfernt. Der Traum Materas eines direkten Eisenbahnanschlusses dagegen ist über hundert Jahre alt!»
Damit der Traum aber wahr wird, fehlen noch 20 Kilometer Schienen. Denn der Gleisverlauf ist komplett fertig mit Viadukten und aufwendigen Brückenkonstruktionen. Ebenso fertiggestellt ist ein sechs Kilometer langer Tunnel, der zum Anschlussbahnhof Ferrandina der Fernbahnstrecke Taranto-Salerno führt.
Baubeginn war schon Mitte der 80er-Jahre. Die Kosten belaufen sich bislang auf 20 Millionen Euro – pro Baukilometer. Wechselnde politische Mehrheiten und Projektänderungen haben die Baukosten auf zuletzt 400 Millionen Euro anschwellen lassen.
Hoffnung auf Vollendung
Nicola Pavese läuft über den Bahndamm, der stellenweise wie eine geradlinige Autobahn die Landschaft durchschneidet. Nur wachsen aus der Betonverschalung armdicke Feigen- und Olivenbäume. Der Begründer der Initiative «Eisenbahn für Matera» hofft, dass mit den EU-Hilfen für die Coronakrise dieser Bau jetzt endlich fertig wird.
«Es ist so wichtig, dass der letzte Bauabschnitt jetzt von Brüssel finanziert wird. So fühlt sich auch Europa in der Pflicht, das in Süditalien, die Basilikata und Matera endlich modernisiert werden», findet Pavese. Doch am Busbahnhof in Matera, dem einzigen funktionierenden öffentlichen Verkehrsmittel, das die Stadt mit der Eisenbahn Taranto-Salerno verbindet, mehren sich die Zweifel.
«Europa muss hier das Sagen haben»
«Ich glaube nicht an den Schienenanschluss. Hier wird immer nur viel geredet und versprochen, aber wenig getan», meint eine Frau. Und ein junger Mann fügt hinzu, als er um die mögliche Anschubfinanzierung aus Brüssel gefragt wird: «Jeder Cent muss kontrolliert werden, jeder Kilometer, bevor er bezahlt wird. Ab jetzt muss Europa hier das Sagen haben.»
Der schnelle Eisenbahnanschluss existiert bislang nur als Logo – auf den Bussen des regionalen Verkehrsverbunds. Die neuen finanzielle Aussichten in Folge der Coronakrise aber befeuern das Projekt neu. Brüssel und der EU kann das noch teuer zu stehen kommen.