Die Europäische Zentralbank hat sich ein neues Inflationsziel gesetzt. Zwei Prozent soll die Teuerungsrate künftig betragen. Bei der Geldpolitik soll zugleich der Klimaschutz mehr berücksichtigt werden. Antworten zur Strategieanpassung von EU-Korrespondent Charles Liebherr.
SRF News: Warum diese Strategie-Anpassung und was ändert sich damit?
Charles Liebherr: Es ist eine wesentliche Änderung. Die EZB spricht jetzt neu von einer symmetrischen Teuerung von zwei Prozent als neues Ziel. Sie sagt damit, dass sie mittelfristig weder positive noch negative Abweichungen bei der Teuerung akzeptieren möchte. Das wiederum verschafft ihr mehr Handlungsspielraum: Liegt die Teuerung nämlich lange unter dem Zielwert von zwei Prozent und steigt dann plötzlich an, wie es gerade der Fall ist, muss die EZB eben nicht sofort reagieren, indem sie ihre Zinsen anhebt, weil eben das Ziel ja nur ein mittelfristiges Ziel ist. Und die Finanzmärkte kleben darum etwas weniger an den Lippen von EZB-Chefin Christine Lagarde. Alles soll etwas berechenbarer werden und damit natürlich auch stabiler.
Zur neuen Strategie gehört auch, den Klimawandel zu bekämpfen und grüner zu werden. Was kann da die EZB tun?
Die EZB kann dafür sorgen, dass das Geld dorthin fliesst, wo es entweder keinen Schaden anrichtet oder dorthin, wo es Nutzen schafft in Bezug auf die Klimaziele. Die neue EZB-Strategie verfolgt darum mehrere Ziele: Die Anpassung an den Klimawandel birgt grosse finanzielle Risiken für Unternehmen, die investieren müssen. Aber auch für die Banken als deren Kreditgeber und damit dann logischerweise auch für die Zentralbanken. Darum will die EZB eben mehr Transparenz schaffen in Bezug auf die Klimarisiken im Finanzsektor. Sie will eben auch bessere Werkzeuge schaffen, um diese Klimarisiken zu bewerten. Künftig soll es sogar einen Klima-Stresstest für Banken im Euro-Raum geben. Letztlich will die EZB auch ihre eigenen Anlagen nachhaltig einsetzen und so ihren Beitrag zum Erreichen der Klimaziele leisten.
Welchen Folgen hat die neue EZB-Strategie für Sparerinnen und Sparer?
Beim neuen Inflationsziel werden Sparerinnen und Sparer die neue Strategie spüren. Bestenfalls, würde ich einmal sagen, und vielleicht nicht schon heute. Aber vielleicht dann übermorgen wird die EZB den Pfad der ultralockeren Geldpolitik verlassen müssen und ihre Zinsen anheben. Das gibt dann etwas mehr Geld auf dem Sparkonto.
In die Berechnung der Teuerung sollen künftig auch die Kosten für selbst genutztes Wohneigentum einfliessen. Auch da gibt es einen direkten Bezug zur Festlegung der Zinsen der EZB. Wer als Privatperson schliesslich erspartes Geld anlegen will, wird eben bessere Informationen erhalten, in welchen Bereichen nachhaltiges Anlegen möglich ist.
Das Gespräch führte Danièle Hubacher.