Donald Trump ist derzeit in vier Strafverfahren angeklagt. Der erste Prozess dreht sich um Buchhaltungsfehler im Zusammenhang mit einer Schweigegeldzahlung an eine Pornodarstellerin. Was harmlos klingt, kann grosse Auswirkungen haben. Zwei Rechtsprofessorinnen ordnen ein.
SRF: Wie schwerwiegend ist der Schweigegeldprozess in New York?
Catherine Ross: Wenn man die Buchhaltung fälscht, um ein anderes Vergehen zu vertuschen, dann ist das nach dem Gesetz in New York ein Verbrechen, nicht bloss eine Übertretung. Trump wollte damit die Wahl beeinflussen, indem er betrügerisch Tatsachen vertuschte. Er tat dies direkt vor den Präsidentschaftswahlen 2016. Somit ist es ein Fall von Wahleinmischung.
Melissa Murray: Es war wie eine Art Generalprobe für die Art von Wahleinmischung, die Trump in anderen Anklagen vorgeworfen wird. Es ist ein Versuch, die Wähler zu betrügen, indem er Informationen geheim halten wollte.
Trump ist zudem wegen mutmasslicher Mitwirkung an einem Wahlumsturz angeklagt. Der Prozess liegt auf Eis, da der Oberste Gerichtshof noch über die Immunität Trumps beraten muss. Ist hier ein Prozess vor den Wahlen überhaupt möglich?
Catherine Ross: Normalerweise fällt der Supreme Court Urteile in gewichtigen Fällen in der letzten Juniwoche. Dann wird es aber zu spät sein, um den eigentlichen Prozess vor den Wahlen durchzuführen.
Melissa Murray: Ich denke nicht, dass der Supreme Court bei der Immunitätsfrage zugunsten von Trump entscheidet. Aber Tatsache ist: Je länger das höchste Gericht diese Entscheidung aufschiebt, desto länger wird Trump effektiv vor der Anklage bewahrt. Das Gericht hätte es auch viel schneller behandeln können. Denn wenn Donald Trump Präsident werden sollte, kann er das Justizdepartement anweisen, den Fall einzustellen.
Bei der Wahlverschwörung in Washington und der Wahlmanipulation in Georgia beruft sich Donald Trump immer wieder auf die Redefreiheit.
Catherine Ross: Er argumentiert, man dürfe ihn nicht wegen seiner Worte verfolgen. Doch es geht um Betrug oder Verschwörung.
Es gibt kein Recht, Worte zu benutzen, um Verbrechen zu begehen.
Er ist angeklagt, weil er das amerikanische Volk betrog haben soll. Es gibt kein Recht, Worte zu benutzen, um Verbrechen zu begehen.
Trump spricht auch immer wieder von unfairen Prozessen. Gibt es hierfür Anzeichen?
Melissa Murray: Donald Trump bekommt eher mehr prozessuale Rechte als die meisten Angeklagten. Er erhält Prozesspausen, die viele andere Angeklagte nicht erhalten. Einerseits, weil er ein früherer Präsident ist. Andererseits, weil er wohlhabend ist. Er hat ein riesiges Anwaltsteam und dieses kann viel Zeit und Geld aufwenden, um die Prozesse zu verzögern.
Eine vierte Anklage kommt in Florida vor Gericht. Dort geht es um angeblich versteckte Geheimdokumente. Die zuständige Richterin, die Trump damals selbst ernannt hatte, steht in der Kritik, das Verfahren hinauszuzögern.
Catherine Ross: Ich denke, sie verletzt die berufliche Sorgfaltspflicht. Ob mit Absicht oder weil sie komplett überfordert und unerfahren ist, es ist unverzeihlich in einem Fall von nationaler Bedeutung und sowieso in jeder Strafverfolgung.
Es ist der reinste Hohn.
Melissa Murray: Dieser Fall sollte der einfachste sein, um eine Verurteilung zu erzielen. Angesichts der vielen Leute, die derzeit im Gefängnis sitzen, die viel weniger Geheimdokumente zurückgehalten haben als Trump, wäre es vielleicht auch der gerechteste Fall. Es ist der reinste Hohn, dass das amerikanische Volk in diesem Fall nicht das Ergebnis bekommen wird, das es verdient.
Das Gespräch führte Viviane Manz.